# taz.de -- Wahlkampf in Norwegen: Die perfekte Angela
       
       > Bislang hatte die konservative Erna Solberg nie auch nur den Hauch einer
       > Chance. Doch bei dieser Wahl dürfte sie gewinnen.
       
 (IMG) Bild: Die Spitzenkandidatin von Norwegens konservativen Partei Høyre: Erna Solberg.
       
       OSLO taz | Bloß keine Show heißt die Devise für Erna Solberg. Die
       norwegische Oppositionsführerin muss im Wahlkampf nicht am Steuer eines
       Taxis auftreten [1][wie ihr Konkurrent], der norwegische Ministerpräsident
       Jens Stoltenberg. Sie muss vielmehr beweisen, dass sie Ministerpräsidentin
       kann. Bis jetzt scheint ihr das ganz gut gelungen zu sein.
       
       Vor den Wahlen in Norwegen am 9. September sagen die Umfragen tatsächlich
       eine Ablösung der sozialdemokratisch geführten Regierung durch eine
       Rechtskoalition mit Solberg als Ministerpräsidentin voraus. Beim direkten
       Spitzenkandidatenduell liegt die 52-Jährige seit Monaten Kopf an Kopf mit
       dem Amtsinhaber Stoltenberg. Zwei Drittel der NorwegerInnen glauben, dass
       sie am Wahlabend als Regierungschefin dastehen wird.
       
       Dabei hatte sie weder 2005 noch 2009 gegen Stoltenberg auch nur den Hauch
       einer Chance. 2004 zur Vorsitzenden der konservativen Høyre gewählt, war
       der erhoffte „Erna-Effekt“ acht Jahre lang ausgeblieben. Sie sei zu
       langweilig, zu blass, habe keinerlei Ausstrahlung, lautete die Kritik.
       
       Ja, sie sei auch zu dick, meinte der Rhetorikexperte Kjell Terje Ringdahl
       in einem Buch über „Die Kunst des Überzeugens“. Er fühle sich „ziemlich
       daneben, so etwas über eine hart arbeitende Frau schreiben zu müssen“, aber
       hinter ihrer Körperfülle verschwinde nun mal ihre politische Botschaft.
       
       ## „Jens oder Erna“
       
       Tatsächlich gingen mit Solberg die Wahlergebnisse von Høyre in den Keller.
       Aus der einstigen 30- wurde eine 10-Prozent-Partei. Die rechtspopulistische
       Fortschrittspartei nahm der Høyre die Stellung als größte Oppositionspartei
       ab. Ganz so schlimm kam es bei der Wahl vor vier Jahren doch nicht. Høyre
       legte mit 17 Prozent immerhin 3 Prozent gegenüber 2005 zu.
       
       Diesmal ist alles noch einmal ganz anders. Die Alternative hieß von
       vornherein „Jens oder Erna“. Und bei ihrem dritten Anlauf scheint Solberg
       nun beste Aussichten zu haben – nach der Sozialdemokratin Gro Harlem
       Brundtland –, zweite Frau im Ministerpräsidentenamt zu werden. Von ihrem
       Äußeren ist nicht mehr die Rede.
       
       Rhetorisch kann sie mit einem Stoltenberg zwar nicht annähernd mithalten,
       hat aber ihren Reden- und Debattenstil und ihr Auftreten so geändert, dass
       Medien ihr nun das Etikett „staatsmännisch“ zugestehen.
       
       ## Erna als norwegische Angela
       
       „Im Erna-Land gibt es nur Platz für Pragmatismus und gesunde Vernunft“,
       formuliert es die Wirtschaftszeitung Dagens Naeringsliv. Über Ideologie und
       Prinzipien lasse sie andere streiten. Solberg wolle „wirkliche Probleme für
       wirkliche Menschen lösen“. Mit ihren eigenen Worten: „Wir sollten uns nur
       mit kleinen Schritten in eine neue Richtung bewegen, damit wir die ganze
       Gesellschaft mitnehmen können.“
       
       Die Parole fruchtete. Schon im Frühjahr 2012 meinte das
       öffentlich-rechtliche Fernsehen NRK: „Erna Solberg soll als norwegische
       Angela Merkel aufgebaut werden.“ Dazu gehörte, dass sie ihr Image als
       „Jern-Erna“, Eisen-Erna, ablegen musste. Bloß nicht mehr polarisieren,
       Landesmutter sollte sie sein. Jovial, warm, vertrauenserweckend,
       fürsorglich: Aber sie solle auch demonstrieren, dass sie „stahlharte
       Kontrolle“ ausüben könne.
       
       „Ja, sie ist ein Vorbild für mich“, gibt Solberg unumwunden zu. Sie habe
       Merkel mehrfach getroffen und das sei „eine tüchtige Frau und ich bewundere
       sie“. Erna scheint mittlerweile schon eine so perfekte Angela geworden zu
       sein, dass kürzlich ein Kommentar in der sozialdemokratischen Tageszeitung
       Dagsavisen der deutschen Bundeskanzlerin unterstellte, sie ahme Erna
       Solberg nach: „So still wie möglich sitzen, möglichst wenig sagen, einfach
       zu einem Wahlsieg surfen, während der Konkurrent noch nach Themen sucht,
       die die Wähler begeistern könnten.“
       
       ## Koalition - auch mit der Fortschrittspartei
       
       Solberg profitiere davon, dass viele Norweger nach 8 Jahren Stoltenberg
       einfach etwas Neues wollten, meint Dagens Naeringsliv. Und Solberg selbst
       zeigt sich entschlossen, für das Erreichen ihres Ziels so ziemlich jede
       Kröte zu schlucken.
       
       Für die Bildung einer Regierung will sie neben den Christdemokraten und der
       liberalen Venstre auch mit der Fortschrittspartei koalieren, also jener
       Partei, die zeitweilige politische Heimat eines Anders Behring Breivik war.
       Dass dies die NorwegerInnen am Montag davon abhalten könnte, ihrer Erna die
       Stimme zu geben, erscheint aber fraglich.
       
       8 Sep 2013
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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