# taz.de -- Kommentar Polizeigewalt Istanbul: Ein Opfer seiner selbst
       
       > Der türkische Ministerpräsident geht massiv gegen Proteste vor. Damit
       > wächst die Chance, dass seine Alleinherrschaft bald vorbei ist.
       
 (IMG) Bild: Auf vermeintliche Feinde hetzt Erdogan die Polizei. Wie hier in der Nacht zum Mittwoch in Istanbul.
       
       Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist ein Opfer seiner
       eigenen Verschwörungstheorien geworden. Der Westen ist heuchlerisch, die
       Großbanken, die ihr Kapital aus der Türkei abziehen – wie aus vielen
       anderen Schwellenländern auch –, sind Teil einer jüdischen Verschwörung,
       und das Internationale Olympische Komitee, das Istanbul den Zuschlag für
       2020 verweigerte, diskriminiert eine Milliarde Muslime.
       
       Außenpolitisch isoliert wie nie in seiner zehnjährigen Amtszeit, sieht
       Erdogan im eigenen Land keine politischen Gegner mehr, sondern nur noch
       Freunde oder Feinde. Und mit Feinden, das hat Erdogan ja schon im Juni
       während der Gezi-Proteste gezeigt, spricht man nicht. Man hetzt die Polizei
       auf sie. Diese harte, autoritäre Linie setzt die türkische Regierung jetzt
       noch brachialer durch. Jedes Anzeichen von Protest soll durch massive
       Repression im Keim erstickt werden.
       
       Demonstrationen, die den Anliegen der Regierung widersprechen, sind
       grundsätzlich verboten. Wer nicht gerade für den abgesetzten ägyptischen
       Bruder Mursi auf die Straßen gehen will, wird schon wie ein Terrorist
       behandelt, wenn er sich nur friedlich auf dem Taksimplatz niederläßt. Doch
       Erdogan sägt gerade den Ast ab, der ihn in den letzten zehn Jahren getragen
       hat.
       
       Der Wirtschaftsaufschwung ist vorbei, und aus dem pragmatischen
       Regierungschef ist ein islamistischer Eiferer geworden. Damit wachsen die
       Chancen, dass die Alleinherrschaft der AKP nach den Wahlen im kommenden
       Jahr zu Ende gehen könnte. Wie der Aufstieg wird sich auch der Fall
       Erdogans in Istanbul entscheiden. Wenn seine Partei die Bürgermeisterwahl
       kommenden März verliert, wird das der Wendepunkt.
       
       12 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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