# taz.de -- Unabhängigkeitsbewegung in Spanien: Das katalanische Labyrinth
       
       > Hundertausende demonstrieren erneut für Kataloniens Unabhängigkeit. Damit
       > bringen sie die Politiker der Region in ein tiefes Dilemma.
       
 (IMG) Bild: Dieser Hund möchte kein Spaniel, pardon, Spanier mehr sein, sondern Katalane.
       
       MADRID taz | Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien wächst unaufhaltsam.
       Nach einer Massendemonstration am Nationalfeiertag „Diada“ im vergangenen
       Jahr bildeten am Mittwoch 1,6 Millionen Menschen eine über 400 Kilometer
       lange Menschenkette – „der Katalanische Weg“ – von der französischen Grenze
       bis zum äußersten Süden der im Nordosten Spaniens gelegenen Region. Als
       Vorbild diente eine ähnliche Mobilisierung in den baltischen Staaten 1989.
       
       Der Zeitpunkt war symbolträchtig gewählt. Die Kette schloss sich um 17.14
       Uhr. Denn 1714 ging der Erbfolgekrieg um den spanischen Thron zu Ende.
       Seither herrschen in Spanien die Bourbonen des derzeitigen Königs Juan
       Carlos. Die Katalanen hatten auf der Verliererseite gestanden. Die
       Nationalisten betrachten die Region seither als von Spanien unterdrückt und
       besetzt.
       
       2014, 300 Jahre später, soll die Geschichte nun mit einer Volksabstimmung
       über die Unabhängigkeit Kataloniens korrigiert werden, so die Forderung der
       Teilnehmer an der Menschenkette, zu der eine Vereinigung unter dem Namen
       „Katalanische Nationalversammlung“ aufgerufen hatte.
       
       Die regierenden konservativen Nationalisten des Parteienbündnisses CiU des
       katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas und seine
       radikal-nationalistischen Unterstützer der Republikanischen Linken
       Kataloniens (ERC) wollen dies auch so umsetzen. „Ich bin entschlossen alle
       demokratischen Mittel, die mir zur Verfügung stehen, zu nutzen, damit die
       Bürger Kataloniens über ihre Zukunft entscheiden können“, erklärte Mas in
       einer Fernsehansprache am Vorabend des Nationalfeiertages.
       
       ## Spiel auf Zeit
       
       Nur, Madrid stellt sich stur. „Die Regierung spricht und verhandelt im
       Rahmen der Verfassung“, entgegnete die stellvertretende
       Regierungspräsidentin in Madrid, Soraya Saénz de Santamaría. Die Regierung
       des konservativen Mariano Rajoy sei die „Regierung aller (...) derjenigen,
       die auf die Straße gehen und derjenigen, die zu Hause bleiben“. Spaniens
       Verfassung lässt eine Volksabstimmung über die Loslösung einer Region nicht
       zu.
       
       Madrid spielt auf Zeit. Denn Mas ist in einer Dynamik gefangen, die er
       selbst ausgelöst hat, ohne sich über die Reichweite bewusst zu sein. Die
       katalanische Regierungspartei CiU, ein Bündnis aus der Convergència von Mas
       und der christdemokratischen Unió ist angesichts der Forderung nach
       Unabhängigkeit tief gespalten. Die führenden Politiker von Unió nahmen
       nicht an der Menschenkette teil.
       
       In den vergangenen Tagen räumte Mas erstmals die Möglichkeit ein, dass die
       versprochene Volksabstimmung 2014 nicht durchgeführt werden könne, da
       Madrid dies nicht zulasse. Seine Alternative: Die Wahlen zum katalanischen
       Parlament 2016 könnten „zu einem Volksentscheid“ werden. Alle
       nationalistischen Partei sollten dann mit nur einem Programmpunkt antreten,
       der Unabhängigkeit. Mas' Partner von der ERC und die Organisatoren der
       Menschenkette wollen davon freilich nichts wissen.
       
       Hinter den Kulissen wird – so berichtet die Tageszeitung El País –
       verhandelt. Enge Vertraute von Mas und Rajoy suchen nach einer Lösung des
       Problems. Es scheint, als wolle Madrid den Katalanen ein neues Finanzmodell
       zugestehen, damit mehr Geld in der Region verbleibe. Gleichzeitig werden
       aus der spanischen Regierung und der sozialistischen Opposition Stimmen
       laut, die eine Verfassungsänderung vorschlagen, „damit sich Katalonien
       besser einfügen lässt“.
       
       La Vanguardia, die große Tageszeitung in Barcelona, unterstützt in ihren
       Leitartikeln am Tag nach der Menschenkette einen „tiefgreifenden Dialog,
       der zu einer politische Einigung führt“. „Wenn die beiden Regierung ihrer
       Pflicht nicht nachkommen und den Emotionen und Forderungen politisch
       Rechnung tragen, wird sich das Problem nur noch verschärfen“, warnt derweil
       El País in Madrid.
       
       12 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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