# taz.de -- Bundestagswahl: Das Zittern der Monika Grütters
       
       > Erfolg kann auch nach hinten losgehen. Kriegt die CDU am Sonntag zu viele
       > Direktmandate, geht ihre Spitzenkandidatin leer aus.
       
 (IMG) Bild: Christdemokratin Monika Grütters
       
       Sie ist die hiesige Spitzenkandidatin der CDU. Sie könnte die erste
       Berliner Bundesministerin nach nach mehr als 20 Jahren werden. Aber
       ausgerechnet Monika Grütters, 51, kann sich nicht sicher sein, überhaupt
       wieder in den Bundestag zu kommen. Denn in ihrem Wahlkreis
       Marzahn-Hellersdorf hat sie keine Chance. Und über die CDU-Landesliste
       rückt sie nur ins Parlament, wenn die CDU mehr Mandate gewinnt als
       Wahlkreise – doch das ist fraglich.
       
       Schon bei der Bundestagswahl 2009 musste Grütters bis zuletzt zittern und
       konnte erst aufatmen, als der CDU-Kandidat in Charlottenburg-Wilmersdorf
       den Wahlkreissieg um gerade mal 1,8 Prozentpunkte verpasst hatte. Denn auf
       die CDU entfielen in Berlin dank ihres Zweitstimmenergebnisses sechs Sitze.
       Fünf gingen an die fünf Wahlkreissieger in Neukölln, Reinickendorf,
       Spandau, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg und Neukölln. Auf das
       letzte zu vergebende Mandat konnte Grütters als Nummer eins der
       CDU-Landesliste rücken. Dieses Mal aber hat die Partei gute Chancen, auch
       in Charlottenburg-Wilmersdorf zu gewinnen.
       
       Grütters ist durch diese Situation in einem moralischen Dilemma. „Da ich
       das schon einmal erlebt habe, weiß ich, was eine Zitterpartie ist“, sagt
       sie, um dann natürlich hinzuzufügen: „Aber dieses Mal bin ich
       zuversichtlich.“ Bei der jüngsten Umfrage wollte in Berlin etwa jeder
       vierte die CDU wählen. Das würde tatsächlich für sieben Mandate und damit
       auch für Grütters reichen. Das gilt aber nur, wenn es Piraten und AfD nicht
       ins Parlament schaffen.
       
       Spitzenkandidaten haben üblicherweise einen Wahlkreis, der zumindest nicht
       so chancenlos ist wie Marzahn-Hellersdorf für die CDU. Grütters konnte dort
       2009 zwar Platz 2 belegen, deutlich vor SPD und Grünen – aber noch viel
       klarer hinter Petra Pau von der Linkspartei. Die bekam fast 48 Prozent der
       Stimmen, Grütters rund 19.
       
       Gern wäre Grütters dort angetreten, wo sie auch als Berliner
       Abgeordnetenhausmitglied bis 2005 ihren Wahlkreis hatte: in
       Charlottenburg-Wilmersdorf. Doch die dortigen CDUler wollten sie nicht als
       Kandidatin. Da aber der örtliche Parteiboss Staatssekretär bei
       CDU-Landeschef Frank Henkel ist, drängt sich die Frage auf: Hätte der
       Vorstand nicht mal den dezenten Hinweis geben können, dass es im
       übergeordneten Interesse der Partei ist, die Spitzenkandidatin in einem
       aussichtsreichen Wahlkreis aufzustellen?
       
       Generalsekretär Kai Wegner, Fraktionskollege von Grütters im Bundestag,
       umgeht die Frage. Zum einen sei man „ganz sicher, dass es für Monika
       Grütters reichen wird“. Zum anderen sei es ein gutes Zeichen, „dass die
       Spitzenkandidatin der Berliner CDU im Osten der Stadt antritt“. Ein anderes
       Vorstandsmitglied verweist auf Beispiele, wo eine Intervention von oben
       eher einen negativen Effekt hatte.
       
       Grütters‘ Lage hat etwas Tragisches, weil sie vor der Krönung ihrer
       Karriere als Kulturpolitikerin stehen könnte. Sie, die bislang Vorsitzende
       des Bundestags-Kulturausschusses ist, gilt als mögliche neue
       Kulturstaatsministerin. Amtsinhaber Bernd Neumann ist 71, es ist fraglich,
       dass Kanzlerin Angela Merkel ihn bei einer Wiederwahl erneut beruft.
       Grütters mag sich dazu derzeit nicht äußern, dementiert aber ihr Interesse
       nicht. Im taz-Sommer-Interview sagte sie dazu: „Das Fell des Bären wird
       verteilt, wenn er erlegt ist.“
       
       Sie wäre das erste Kabinettsmitglied aus Berlin seit der Grünen Renate
       Künast, die von 2001 bis 2005 Bundesministerin für Verbraucherschutz war.
       Aus den Reihen der Berliner CDU kam viel länger, nämlich 24 Jahre, kein
       Kabinettsmitglied: Der ehemalige Senator Rupert Scholz war von 1988 bis
       1989 kurzzeitig Verteidigungsminister.
       
       Kulturstaatsministerin könnte Grütters zwar auch ohne Bundestagsmandat
       werden – von den bisherigen vier Inhabern des 1998 von Gerhard Schröder
       eingerichteten Amts ist Amtsinhaber Neumann der erste mit einem
       Parlamentssitz. Doch mit einem Mandat im Rücken hätte sie ein anderes
       Standing, wenn es um die Kabinettsposten geht. Wie sagt Grütters doch: Sie
       wisse, was eine Zitterpartie ist.
       
       15 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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