# taz.de -- Kommentar Pädophilie-Debatte: Die grüne Strategie ist gescheitert
       
       > Jürgen Trittin hat zu den pädophilen Verstrickungen der Grünen endlich
       > deutliche Worte gefunden. Es ist eine Zäsur, die zu spät kommt.
       
 (IMG) Bild: Endlich eine deutliche Haltung. Leider zu spät
       
       Aussitzen, herunterspielen, relativieren. So reagieren die Grünen bisher,
       wenn Details über pädophile Verstrickungen ans Licht kommen. Es gab eine
       Arbeitsgruppe „Schwule, Päderasten und Transsexuelle“ in der Partei? Schon,
       aber die war unbedeutend für die Gesamtpartei. Die Grünen in
       Nordrhein-Westfalen beschlossen 1985 ein Papier, das pädosexuelle
       Beziehungen legalisieren wollte? Ach, das war streng genommen gar kein
       richtiger Beschluss. Selbst der mit der Aufarbeitung der Parteigeschichte
       beauftragte Politologe Franz Walter [1][reagiert inzwischen irritiert].
       
       Nun hat seine Recherche ergeben, dass der grüne Spitzenkandidat Jürgen
       Trittin 1981 für ein Kommunalwahlprogramm presserechtlich verantwortlich
       zeichnete, das forderte, „gewaltlose“ sexuelle Handlungen mit Kindern zu
       legalisieren. Damit sind die Grünen mit ihrer defensiven Strategie
       endgültig gescheitert. Und Trittin [2][fand deutliche Worte]: „Dies ist
       auch meine Verantwortung. Und dies sind auch meine Fehler, die ich
       bedaure.“ Damit hat er eine Zäsur im Kommunikationsverhalten der Grünen
       gesetzt. Eine Zäsur, die zu spät kommt.
       
       Denn jetzt hat das Thema Pädophilie die Parteispitze erreicht – kurz vor
       der Bundestagswahl. Zu einem Zeitpunkt also, der es dem politischen Gegner
       leicht macht, die gesamte Grüne Partei wirkungsvoll zu diskreditieren. Mit
       Pädophilie in Verbindung gebracht zu werden bedeutet das soziale und
       politische Aus – selbst wenn die Ereignisse mehr als dreißig Jahre
       zurückliegen: Die Grünen, sind das nicht die mit dem Kindersex?
       
       Dass konservative Medien nun eine Hetzkampagne gegen das alternative Milieu
       fahren, ist dabei unfair und dem politischen Kalkül geschuldet, nicht dem
       Interesse an Aufarbeitung. Schließlich waren die Grünen in den Achtzigern
       die einzige Partei, die offen diskutierte, was in konservativen Kreisen
       totgeschwiegen wurde: Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und, ja, auch
       Pädophilie. Nachdem die Grünen sich von der Toleranz gegenüber allem und
       jedem befreit hatten, waren sie es, die den Schutz vor sexueller Gewalt auf
       die Agenda setzten. Und nicht etwa die Regierungskoalition, die zuletzt bei
       der Entschädigung für Opfer sexuellen Missbrauchs weit hinter den
       Vorschlägen der Opposition zurückblieb.
       
       Für die Grünen ist der Wirbel um die Positionen von damals bitter – hatten
       sie vielleicht auch darauf spekuliert, mit der Beauftragung der Göttinger
       Politologen das Thema erst nach der Wahl wieder verhandeln zu müssen.
       
       Man kann nur hoffen, dass das öffentliche Interesse an diesem Kapitel der
       linksalternativen Geschichte auch nach der Wahl bestehen bleibt. 45 Jahre
       nach dem Startschuss für die sexuelle Befreiung der Bundesrepublik ist die
       Zeit überreif für eine ernsthafte und nüchterne Diskussion auch über ihre
       Schattenseiten. Und über den Zeitgeist, der damals einfach ein anderer war.
       
       17 Sep 2013
       
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