# taz.de -- Kommentar Türkisches Demokratiepaket: Mogelpackung für die Kurden
       
       > Das Demokratiepaket Erdogans hätte den Friedensprozess mit der PKK
       > voranbringen können. Doch diese Chance wurde schmählich vergeben.
       
 (IMG) Bild: Diese PKK-Kämpfer werden wohl noch ein Weilchen in unwegsamem Gelände ausharren müssen.
       
       Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich zu einem
       glücklosen Mann entwickelt. Seit den Gezi-Protesten innenpolitisch
       angeschlagen und nach dem Putsch in Ägypten außenpolitisch isoliert, droht
       er jetzt durch Mut- und Visionslosigkeit auch sein letztes großes Projekt
       zum Absturz zu bringen: die Aussöhnung mit den Kurden.
       
       Diese für die Zukunft der Türkei vielleicht wichtigste politische Aufgabe
       hatte Erdogan nach jahrelangem Zögern im Herbst des letzten Jahres auf den
       Weg gebracht, als er sich zu Gesprächen mit dem seit 1999 inhaftierten
       historischen Führer der kurdischen PKK, Abdullah Öcalan, entschloss. Er
       schickte seinen Geheimdienstchef auf die Gefängnisinsel Imrali zu Öcalan,
       um einen Rahmen für das Ende des 30-jährigen Guerillakriegs abzustecken. Er
       gewann Öcalan für eine Friedensinitiative. Die PKK erklärte einen
       Waffenstillstand, den sie seither einhält. Einen Großteil ihrer Kämpfer hat
       die PKK inzwischen in den benachbarten Nordirak oder nach Syrien verlegt.
       
       Und Erdogan? Er sollte im Gegenzug die Gleichstellung der Kurden als
       Staatsvolk, die Benutzung der kurdischen Sprache etwa in Schulen und mehr
       Selbstbestimmung in den kurdischen Siedlungsgebieten im Parlament
       durchsetzen. Doch Erdogan zögerte monatelang, der Friedensprozess geriet
       ins Stocken, drohte zu scheitern.
       
       Mit seinem Demokratiepaket hätte gestern der Befreiungsschlag erfolgen
       müssen, aber aus dieser Befreiung ist nichts geworden. Erdogans groß
       angekündigte demokratische Initiative ist für die Kurden eine Mogelpackung
       ohne Substanz. Damit hat der Ministerpräsident wohl seine letzte Chance
       vertan. Wenn die PKK in der Türkei trotzdem erst mal nicht zu den Waffen
       greift, dann nicht mehr wegen Erdogan, sondern weil sie ihre Kräfte in
       Nordsyrien braucht, um sich gegen al-Qaida zu verteidigen.
       
       In der Türkei hat unterdessen der Wahlkampf begonnen, der alle weiteren
       Gespräche mit der PKK ausschließt: Ab März des kommenden Jahres werden erst
       die Kommunalvertretungen, dann wird der Präsident und schließlich das
       Parlament gewählt. Deshalb war Erdogans wichtigster Zug gestern auch ein
       Geschenk an die eigene Klientel: Das seit fast 90 Jahren geltende
       Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst wird aufgehoben. Statt einer
       ehrlichen Demokratisierung hat Erdogan sich für eine Islamisierung
       entschieden – und die Kurdeninitiative geopfert.
       
       30 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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