# taz.de -- Kurden in der Türkei: Erdogans symbolische Friedens-Show
       
       > Der türkische Ministerpräsident Erdogan versucht, die Kurden von seiner
       > Politik zu überzeugen. Dafür tritt er mit Regionalpräsident Barsani und
       > Megastars auf.
       
 (IMG) Bild: Händchen halten: Erdogan (M.) mit den Sängern Sivan Perwer (l.) und Ibrahim Tatlises.
       
       DIYARBAKIR taz | Es ist ein Auftritt in der Höhle des Löwen, als der
       türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Diyarbakir die Bühne
       betritt. Die heimliche Hauptstadt der Kurden ist eine Hochburg des
       Aufstands gegen den türkischen Staat. Rund zwei Drittel haben hier in den
       letzten Wahlen die kurdische Partei für Frieden und Demokratie (BDP)
       gewählt. Erdogans erfolgsverwöhnte islamische Partei für Gerechtigkeit und
       Entwicklung (AKP) spielt hier nur die zweite Geige. Aber die AKP hat den
       Kurden an diesem sonnigen Samstag ein historisches Ereignis versprochen –
       und sie hält Wort.
       
       An der Seite von Erdogan, der mit fast seinem ganzen Kabinett angereist
       ist, treten Männer auf, die seine Vorgänger noch mit einem Bann belegten.
       Da ist der Musiker Sivan Perwer, der vor 37 Jahren aus der Türkei fliehen
       musste, weil er auf Kurdisch sang, und der dann zum singenden Helden der
       kurdischen Rebellion aufstieg. An seiner Seite steht Ibrahim Tatlises,
       dessen Schnulzen ein Millionenpublikum begeistern.
       
       Der Dritte im Bunde ist Masud Barsani, der Präsident des kurdischen
       Teilstaats im Nordirak. Vereint beschwören sie den Frieden und die
       Brüderlichkeit zwischen Kurden und Türken – Barsani und Perwer in
       kurdischer Tracht.
       
       Zum ersten Mal habe die Türkei einen Regierungschef, der den Weg des
       Friedens gewählt habe, lobt Barsani Erdogan. „Wir alle unterstützen diesen
       Weg.“ Neben türkischen Fahnen wehen im Publikum auch die rot-grün-weiße
       Trikolore mit der Sonne der irakischen Kurden. Stimmung kommt unter den
       Tausenden von Zuhörern aber erst auf, als Perwer die Bühne betritt. Auch er
       überschüttet den „Architekten des Friedens“, wie er Erdogan nennt, mit Lob.
       
       Dann ergreift der Mann das Wort, der in den letzten Jahren viele Schritte
       ergriffen hat, die lange als undenkbar galten. Erdogan hat die Existenz der
       Kurden anerkannt, er hat das Sprachverbot gelockert und vor einem Jahr
       begann er, mit Abdullah Öcalan, dem seit 14 Jahren inhaftierten Chef der
       Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), zu verhandeln. Doch der Friedensprozess
       steckt fest.
       
       ## Viele gute Absichten, wenig Konkretes
       
       In seiner halbstündigen Rede sagt Erdogan vieles, das jeder Kurde sofort
       unterschreiben würde. „Die Zeit der Demütigungen, der Assimilation und der
       Leugnung ist vorbei“, sagt der Regierungschef. Er verspricht Diyarbakir
       millionenschwere Investitionen. Aber wie er den Friedensprozess wieder in
       Gang bringen will, sagt er nicht. Nur so viel: „Wir hoffen, dass eines
       Tages auch die Leute aus den Bergen und die Gefangenen zurückkehren
       werden.“ Viele aus der Menge sind zu diesem Zeitpunkt schon gegangen.
       
       Im vergangenen Sommer hat die PKK die meisten ihrer Kämpfer aus der Türkei
       abgezogen. Viele hatten erwartet, dass Erdogan im Gegenzug eine Amnestie
       für die mehreren tausend Kurden, die wegen angeblicher PKK-Unterstützung im
       Gefängnis sitzen, auf den Weg bringt.
       
       „Wir Kurden wollen Gerechtigkeit“, sagt Mehmet Emin Yilmaz, der lokale
       Kovorsitzende der BDP im Gespräch. Die Partei fordert konkrete Schritten:
       eine Amnestie für die Gefangenen und die PKK-Kämpfer, Wiedergutmachung für
       die mehreren tausend im Krieg zerstörten Dörfer sowie eine Erleichterung
       der Haftbedingungen von Öcalan. „Um Frieden zu schließen, ist ein großer
       Wurf nötig, nicht ein paar Reförmchen“, betont Yilmaz.
       
       Doch dazu scheint Erdogan nicht bereit. Er ist auf Wahlkampftour, im
       kommenden März finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Deshalb sei es
       bedauerlich, dass Barsani an der Seite von Erdogan auftrete, sagt Yilmaz.
       
       Damit ist er noch höflich. Viele Kurden sind wütend auf Barsani, auch wegen
       seiner Haltung gegenüber „Rojava“, den kurdischen Gebieten im Norden
       Syriens. Dort hat die mit der PKK verbündete Partei der Demokratischen
       Union (PYD) kürzlich eine Autonomie ausgerufen. Barsani hat dies scharf
       verurteilt und befindet sich damit auf gleicher Linie wie die Regierung in
       Ankara. „Er spaltet die Kurden“, sagt ein Lehrer. Noch wütender als auf
       Barsani ist er auf den Musiker Perwer. „Viele landeten im Gefängnis, nur
       weil sie seine Lieder hörten“, sagt er. „Und jetzt singt er für Erdogan.“
       
       17 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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