# taz.de -- Britische Vogelbeobachter: Freaks im Dickicht
       
       > „Twitcher“ sind geradezu krankhafte Vogelfans. Für einen
       > Sao-Tomé-Finkenschnabelstar reisen sie um die ganze Welt. Das kann
       > tödlich enden.
       
 (IMG) Bild: Birdwatcher bei der Ausübung seines Hobbys.
       
       DUBLIN taz | Sie sind scheu und verharren oft stundenlang regungslos im
       Dickicht. Es sind Menschen, die Vögel beobachten. Drei Millionen erwachsene
       Briten listen das als Hobby auf. Allerdings gibt es große Rangunterschiede.
       „Birdwatchers“ sind ganz unten angesiedelt, für die „Birder“ sind sie
       lediglich Amateure.
       
       Schon bei Shakespeare gibt es „bird“ auch als Verb. Damals bedeutete „to
       bird“ jedoch vor allem, die Vögel abzuschießen. Erst Ende des 19.
       Jahrhunderts setzte sich eine gesittetere Form durch. Die Königliche
       Gesellschaft zum Schutz von Vögeln wurde 1889 gegründet.
       
       Heutzutage folgt man einem schriftlichen Ehrenkodex. Das Interesse der
       Vögel steht an erster Stelle, und wer eine seltene Vogelart entdeckt, soll
       den Schnabel halten, damit keine Invasion von „Birdern“ das Tier beim
       Brüten stört. Als einer in Kent den Goldwaldsänger entdeckte und das
       ausposaunte, kamen am nächsten Tag 2.500 Menschen zum Nest.
       
       Wer dem Hobby ernsthaft nachgeht, bevorzugt den Begriff „Birder“, weil er
       eine audiovisuelle Komponente beinhaltet. „Birder“ beobachten die Vögel
       nämlich nicht nur, sondern hören ihnen auch zu, denn sie erkennen sie an
       ihrem Gesang. Das hat zum Streit geführt: Zählt es, wenn man einen Vogel
       gehört hat, oder muss man ihn auch gesehen haben, bevor man ihn in sein
       Buch einträgt? Denn darum geht es, jedenfalls bei den männlichen „Birdern“.
       
       Eine amerikanische Untersuchung hat ergeben, dass es bei der anfänglichen
       Begeisterung für das Beobachten von Vögeln keinen Unterschied zwischen
       Männern und Frauen gebe. Doch sobald die Sache intensiver betrieben wird,
       neigen Männer zum Wettkampf mit anderen „Birdern“, während Frauen es eher
       als intellektuelle Herausforderung begreifen.
       
       ## Familienerbe durchgebracht
       
       Es gibt freilich Ausnahmen. Eine Phoebe Snetsinger hat ihr Familienerbe bei
       ihren Vogelreisen rund um die Welt durchgebracht und starb 1999 bei einem
       Autounfall in Madagaskar. Bis 2008 hielt sie mit 8.400 erspähten Vogelarten
       den Weltrekord. Der wurde 2008 von dem Engländer Tom Gullick gebrochen.
       
       Als Gullick die Weißkehlfruchttaube entdeckte, hatte er die 9.000er
       Schallmauer als erster Mensch durchbrochen. Dem 81-Jährigen fehlen noch
       rund 1.500 Vogelarten, aber er hat die Nase voll. „Genug ist genug“, sagte
       er. Sein größter Fund war 1991 der Sao-Tomé-Finkenschnabelstar, der bis
       dahin als ausgestorben galt.
       
       Snetsinger und Gullick sind eigentlich keine „Birder“, sondern „Twitcher“.
       Das ist noch eine Steigerung, es sind Vogelverrückte. Sie reisen um die
       halbe Welt, um eine seltene Vogelart zu finden und sie dann auf einer Liste
       abzuhaken – ähnlich wie „Trainspotter“. Die haben es jedoch einfacher, weil
       das Objekt ihrer Begierde auf festen Gleisen und manchmal sogar nach
       Fahrplan fährt.
       
       ## Vom Tiger getötet
       
       Vögel hingegen sind oft unkooperativ. Und manchmal endet die Jagd nach
       ihnen tödlich. Der berühmte „Twitcher“ David Hunt vergaß bei seinen
       Vogelbeobachtungen offenbar, dass es auch andere Tiere gibt: Er wurde 1985
       im indischen Corbett-Nationalpark von einem Tiger getötet.
       
       Zu jedem Hobby gehört ein Verband, das finden auch die „Birdwatcher“,
       „Birder“ und „Twitcher“. Es gibt sogar einen Verband für schwule
       Vogelliebhaber und einen für behinderte. Und es gibt Apps, die Vogellaute
       imitieren, was zu einer Art Krieg unter den Vogelfreunden geführt hat. Die
       einen halten es für Schummelei, die obendrein den Vögeln auf die Nerven
       gehe, die anderen halten es für ein Hilfsmittel.
       
       Der Streit werde in Großbritannien besonders heftig ausgetragen, heißt es
       auf der amerikanischen Website Huffington Post: „Das Land ist so
       langweilig, dass es umgerechnet auf die Einwohnerzahl mehr Birders als die
       USA hat.“
       
       2 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Zugvogel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zugvögel in Europa: Milliarden wählen die Langstrecke
       
       Im Herbst fliehen viele Vögel vor der Kälte. Die meisten ziehen bis nach
       Afrika. Orientierung geben ihnen dabei Sterne und Magnetfelder.
       
 (DIR) Vogel verschmäht Ersatz-Watt: Kein Landeplatz für die Löffelente
       
       Der Ausgleich für die Airbus-Erweiterung im Mühlenberger Loch hat in einem
       zentralen Punkt nicht funktioniert.
       
 (DIR) Windkraft II: Möwen jagen offshore
       
       Die Energiewende kann in Fahrt kommen. Den Offshore-Netzplan will das
       zuständige Bundesamt in Hamburg bis Anfang Februar vorlegen.