# taz.de -- Nach Mord an Botschaftsmitarbeiter: Der andere Jemen
       
       > Ausländer leben gefährlich im Jemen, Al-Quaida bleibt präsent. Dennoch
       > beginnt gerade ein nationaler Dialog, der lohnt, Risiken einzugehen.
       
 (IMG) Bild: In Jemen geht's friedlicher zu als in Ägypten und Syrien: Massenhochzeit in Sanaa am 3. Oktober.
       
       Mehr als zwölf Entführungen innerhalb eines Jahres, einige weitere
       gescheiterte Entführungsversuche, mehrere Anschläge – Ausländer leben
       gefährlich im Jemen. Spätestens seit dem gestrigen Mord an dem deutschen
       Botschaftsmitarbeiter könnte man sich fragen: Lohnt sich das? Sollte man
       die Botschaften nicht definitiv schließen und die Jemeniten sich selbst
       überlassen?
       
       Entführungen sind nichts Neues im Jemen. Seit Jahrzehnten kidnappen Stämme
       Touristen, um Forderungen gegenüber der Zentralregierung durchzusetzen: die
       Entlassung verurteilter Häftlinge, der Bau einer Straße usw. Es sind die
       Symptome einer Gesellschaft, die sich mit ihrem Stamm oder ihrer Region
       identifiziert, nicht aber mit dem Staat, und in der die Staatsvertreter
       hinwiederum vor allem die Interessen ihres Stammes oder ihrer Region
       vertreten.
       
       Seit dem Sturz des Diktators Ali Abdullah Saleh 2011 haben sich diese
       Versuche, Partikularinteressen durchzusetzen, noch verstärkt, denn seither
       werden im Jemen die Karten neu gemischt. Das Verhältnis zwischen Nord- und
       Südjemen wird neu ausgehandelt, die Minderheit der Houthi im Norden wittert
       Morgenluft für ihre Sezessionsbestrebungen, innerhalb vieler Stämme gibt es
       Machtkämpfe, und in der Armee sind Meutereien an der Tagesordnung.
       
       Täglich finden kleinere und größere bewaffnete Auseinandersetzungen statt.
       Diese Kämpfe werden in der Regel nicht von der Regierung beigelegt – die
       verfügt nicht über die notwendigen Hebel – sondern von Stammesältesten und
       Scheichs. Das Denken in Partikularinteressen wird so bestärkt, Sanaa ist
       weit weg.
       
       ## Arbeit an einer neuen Verfassung
       
       Es gibt aber auch eine gegenläufige Entwicklung. Seit dem vergangenen
       Frühjahr diskutieren Vertreter aller relevanten politischen Gruppen im
       Jemen – Politiker, Stammesälteste, Angehörige der Zivilgesellschaft,
       Frauenaktivistinnen – darüber, wie der Jemen politisch künftig aussehen
       könnte. Trotz zahlreicher Rückschläge hat der Nationale Dialog seine Arbeit
       fortgesetzt und ist nun in seiner Endphase angelangt.
       
       Die Ergebnisse sollen in einen neuen Verfassungsentwurf einfließen, Wahlen
       sollen folgen. Mit dem Nationalen Dialog ist der Jemen einen friedlicheren
       Weg gegangen als etwa Ägypten, geschweige denn Syrien. Zum ersten Mal gibt
       es in der Geschichte dieses Landes die Hoffnung auf ein politisches System,
       das alle Bevölkerungsgruppen einschließt. Und das Ausland hat – durch
       finanzielle Unterstützung – dazu beigetragen, dass der Nationale Dialog
       nicht abgebrochen wurde.
       
       ## Al-Quaida verhandelt nicht
       
       Während die diversen Gruppen – insbesondere jetzt, in der Endphase des
       Nationalen Dialogs – noch einmal versuchen, ihre jeweiligen Positionen zu
       festigen, spielt al-Qaida in einer anderen Liga. Al-Qaida war schon vor dem
       Regimewechsel im Jemen präsent. Seit dem Machtvakuum nach dem Sturz des
       Diktators hat sie vor allem im Südosten, in den Provinzen Schabwa und
       Abyan, an Raum gewonnen und zwischenzeitlich islamische Emirate errichtet.
       
       Al-Qaida nimmt am Nationalen Dialog nicht teil, sie will nicht verhandeln,
       sie will ihre totalitäre islamische Ideologie durchsetzen. Nicht nur gegen
       den „ungläubigen“ Westen, sondern auch gegen die Jemeniten, die diese
       Staatsform nicht anstreben. Um das zu verhindern, sollte der Westen im
       Jemen bleiben: Um diejenigen Kräfte zu unterstützen, die auf Dialog und
       eine gemeinsame Zukunft setzen.
       
       7 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Bauer
       
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