# taz.de -- Leistungsvergleich unter Schülern: Kluge Ossis
       
       > Neuntklässler aus den Ost-Flächenländern sind in Mathe und den
       > Naturwissenschaften stärker als ihre West-Kollegen. Nur Bayern kann
       > mithalten.
       
 (IMG) Bild: Die Cleverles kommen aus dem Osten
       
       BERLIN taz | Zwei Schuljahre. Das ist der Lernvorsprung in Mathematik, den
       sächsische Schüler der neunten Klassen im Durchschnitt vor Gleichaltrigen
       aus Bremen haben. In Chemie beträgt der Leistungsvorsprung sogar
       zweieinhalb Schuljahre. Das geht aus dem ersten bundesweiten
       Schülerleistungsvergleich in Mathe und Naturwissenschaften hervor, den
       Wissenschaftler im Auftrag der Kultusministerkonferenz am Freitag
       vorstellten.
       
       „Insgesamt zeichnet sich ein klares Muster in Mathematik und
       Naturwissenschaften ab: Die ostdeutschen Flächenländer schneiden in allen
       Fächern überdurchschnittlich ab", sagte der Direktor des Instituts zur
       Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), Hans Anand Pant. In der
       Fünfer-Spitzengruppe konnte von den westdeutschen Ländern nur Bayern
       mithalten. Im hinteren Bereich lagen die Stadtstaaten Berlin, Bremen und
       Hamburg sowie Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Pant regte an, dass die
       Kultusminister diese Leistungsunterschiede unter dem Gesichtspunkt der
       Bildungsgerechtigkeit stärker in den Blick nehmen müssten.
       
       Die Wissenschaftler des IQB sollten überprüfen, ob Schüler der neunten
       Klassen, die sich auf den Mittleren Bildungsabschluss vorbereiten, die
       Anforderungen in Mathe, Chemie, Physik und Biologie erfüllen, auf die sich
       die Kultusminister aller Länder im Jahre 2004 geeinigt hatten. Diese
       Bildungsstandards messen, was Schüler wissen müssen. Sie reichen in fünf
       Stufen von einem Minimallevel über den Regelstandard, den man nach neun
       Schuljahren erwarten kann, bis hin zum Optimalstandard. Im Jahre 2012
       arbeiteten daher bundesweit über 44500 Schüler an Testaufgaben in den vier
       Fächern. Unter ihnen auch Schüler von 60 Förderschulen.
       
       Die Schüler der ostdeutschen Flächenländer schnitten nicht nur
       überdurchschnittlich gut ab, hier war auch die Gruppe jener Schüler
       kleiner, die den Mindeststandard nicht erreichten. Um diesen zu erreichen,
       musste man etwa in Mathe die Frage beantworten: „Gaby hat an ihrem
       Schlüsselbund 3 Schlüssel. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine
       Tür mit dem ersten Schlüssel, den sie zufällig probiert, aufgeht?!“ In
       Sachsen scheiterte jeder achte Schüler an dieser Aufgabe, in Bremen
       hingegen fast 40 Prozent. Auch in Berlin und Nordrhein-Westfalen genügten
       jeweils über 30 Prozent der Schüler nicht den Minimalanforderungen der
       Bildungspolitiker.
       
       ## Am besten lernen Schüler in Gymnasien
       
       Die Gruppe der Spitzenlerner, die das Optimalniveau erreichten, war mit
       unter zehn Prozent in allen Bundesländer recht klein. Am besten lernten die
       Schüler in den Gymnasien, wobei ihre Test-Leistungen im Trend in jenen
       Bundesländern besser waren, in denen die Hürden fürs Gymnasium höher lagen.
       Dass das nicht zwangsläufig so sein muss, zeigen wiederum die ostdeutschen
       Länder: In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg gehen
       vergleichsweise viele Schüler aufs Gymnasium, das Leistungsniveau in
       Mathematik und Naturwissenschaften ist dennoch überdurchschnittlich. „Eine
       hohe Gymnasialquote und gute Leistungen sind möglich", sagte Petra Stanat,
       die das IQB zusammen mit Pant leitet.
       
       Nach Ansicht der beiden Wissenschaftler zeigt die Ländervergleichsstudie,
       dass es stark auf die Qualität des Unterrichts und die Ausbildung der
       Lehrer ankommt. So konnten Schüler im Schnitt mehr, wenn sie von Lehrern
       unterrichtet wurden, die auch für das Fach ausgebildet wurden. Das ist an
       Gymnasien fast immer der Fall, während an allen anderen Schularten häufiger
       fachfremde Lehrer eingesetzt werden.
       
       Die Lehrer in den ostdeutschen Bundesländern haben ihre Ausbildung oft noch
       in der DDR absolviert. Die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth, die
       in der DDR als Biologie- und Chemielehrerin arbeitete, sagte, eine
       praxisnahe Ausbildung sei damals und heute essenziell. „Angehende Lehrer
       sollten von Anfang an Praktika absolvieren und für sich entscheiden, ob sie
       mit Kindern und Jugendlichen arbeiten möchten. Das ist eine Berufung und
       kein Dienst, den man in acht Stunden absolviert."
       
       Die Lehrerausbildung regelt jedes Bundesland allein. Die Kultusminister
       haben zwar gemeinsame Standards entwickelt, allerdings unterscheiden sich
       die Studiengänge von Hochschule zu Hochschule. Die einen sprechen von
       Vielfalt, andere von Chaos.
       
       ## Sozial gerecht geht anders
       
       Sozial gerecht geht es in keinem Bundesland zu. In allen Ländern hatten
       Schüler aus besseren Verhältnissen auch bessere Leistungen. Im Fach
       Mathematik erreichten die Schüler aus schlechteren sozialen Verhältnissen
       im Durchschnitt 82 Punkte weniger als Gleichaltrige aus privilegierteren
       Elternhäusen. Das entspricht einem Rückstand von fast drei Schuljahren.
       Entscheidend ist auch die Herkunft der Eltern. Deutsche Schüler, deren
       Eltern nicht in Deutschland geboren sind, lösten die Aufgaben unabhängig
       vom sozialen Status der Eltern im Durchschnitt schlechter als solche, deren
       Eltern aus Deutschland stammen.
       
       Die typischen Geschlechterklischees bestätigte der Bildungsvergleich nur
       bedingt. Ja, in Mathe waren die Jungen den Mädchen voraus, doch in den
       Fächern Physik und Chemie standen ihnen die Mädchen in nichts nach, in
       Biologie waren sie sogar deutlich besser. Als die Wissenschaftler jedoch
       die Selbsteinschätzung der Jugendlichen abfragten, stellte sich heraus,
       dass Jungen in der Regel glaubten, in Physik besser zu sein als die
       Mädchen, während Mädchen sich selbst als schwächer einstuften. Stanats
       Resümee: „Jungen glauben, dass sie gut sind, und Mädchen unterschätzen
       sich." Hier werde eine Menge Potenzial von Mädchen verschenkt.
       
       11 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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