# taz.de -- Die Wahrheit: Wasser mit schlechtem Charakter
       
       > Seit Donnerstag herrscht in Irland offiziell Winter – jedenfalls nach dem
       > keltischen Kalender. Das Wetter hält sich dran, es ist kalt und gießt in
       > Strömen.
       
       Seit Donnerstag herrscht in Irland offiziell Winter – jedenfalls nach dem
       keltischen Kalender. Das Wetter hält sich dran, es ist kalt und gießt in
       Strömen. War das der Grund dafür, dass sich zu Halloween keine Kinder sehen
       ließen und nach Süßigkeiten bettelten, so dass wir jetzt auf 30 Tüten mit
       gemischten Riegeln sitzen?
       
       Möglicherweise war aber mein Auftritt im vorigen Jahr daran schuld. Als
       eine Schar von Vorschulknirpsen an unserer Tür geklingelt hatte, war ich im
       Tweed-Kostüm und mit Margaret-Thatcher-Maske verkleidet keifend aus dem
       Haus gestürmt. Die Kleinen erstarrten vor Schreck, manche fingen an zu
       weinen und ließen sich auch durch Süßwaren nicht beruhigen. Das hatten sie
       sich gemerkt.
       
       Mir war es recht, denn so konnte ich mir in Ruhe einen heißen Whiskey gegen
       die Kälte zubereiten. Ein guter Plan, aber aus dem Wasserhahn kam kein
       Tropfen. Ich hatte vergessen, dass abends ab acht das Wasser für die Nacht
       abgestellt würde. Wie soll man auch an Wasserknappheit denken, wenn es
       draußen pausenlos vom Himmel stürzt?
       
       Im Wasserreservoir Ballymore Eustace habe sich „der Charakter des Wassers
       stark verändert“, sagte Michael Phillips, der Ingenieur des Dubliner
       Stadtrats. Man arbeite rund um die Uhr, um die Ursache herauszufinden.
       Vorerst bleibe es aber bei den nachts versiegenden Hähnen, mindestens bis
       Ende dieser Woche, sonst säße Dublin binnen drei Tagen auf dem Trocknen,
       jedenfalls drinnen. Die Besitzer edler Restaurants raufen sich die Haare.
       Sie müssen das Foie Gras auf Papptellern und den Champagner in
       Plastikbechern servieren, weil sie den Geschirrspüler nicht einschalten
       können.
       
       Irgendwie war das absehbar. Die technische Beraterfirma RPS hatte schon
       2006 gewarnt, dass man etwas investieren müsse, um die Wasserversorgung zu
       sichern. Ein Projekt, um Wasser vom Shannon nach Dublin zu pumpen, würde
       500 Millionen Euro kosten. Das hat man auf die lange Bank geschoben, sodass
       die Probleme für die nächsten zehn Jahre vorprogrammiert sind.
       
       In der irischen Hauptstadt werden täglich 540 Millionen Liter verbraucht,
       und die werden gerade so produziert, wenn alles glattgeht. Dabei entfallen
       auf die Haushalte nur 16 Prozent. Fast doppelt so viel versickert im Boden,
       denn die Rohre stammen noch aus viktorianischen Zeiten.
       
       Nun hat die Regierung 539 Millionen Euro bereitgestellt – allerdings nicht,
       um die uralten, löchrigen Rohre zu erneuern, sondern um Wasseruhren zu
       installieren, damit man ab 2015 endlich kräftig abkassieren, dann
       privatisieren und schließlich den verarmten Banken wieder etwas Geld geben
       kann.
       
       Man muss hoffen, dass es in nächster Zeit in Dublin nachts nicht brennt.
       Die Feuerwehr hat bereits Notfallpläne aufgestellt. Sie bestehen vor allem
       darin, für Regen zu beten, damit mögliche Brandherde im Keim erstickt
       werden. Bisher scheint das deprimierend gut zu funktionieren. Aber es
       besteht Hoffnung: Am 1. Februar ist „Imbolc“, der irische Frühlingsbeginn.
       Dann kehrt sich die Sache hoffentlich wieder um: drinnen Wasser, draußen
       trocken.
       
       3 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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