# taz.de -- Nach dem Mord an zwei Neonazis: Rachespirale in Athen
       
       > Nach der Ermordung zweier Aktivisten der rechtsextremen „Goldenen
       > Morgenröte“ herrscht in Griechenland Sorge und Angst. War es ein Akt der
       > Rache?
       
 (IMG) Bild: Vor der Parteizentrale der Chrysi Avgi.
       
       ATHEN taz | Vor breiten weiß-roten Plastikbändern haben sich bewaffnete
       Polizisten aufgereiht. Das Gebiet rund um die Parteizentrale der
       rechtsradikalen Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) in Athen ist weiträumig
       abgesperrt. Vor den Absperrungen haben sich Schaulustige versammelt.
       Anwohner, deren Wohnungen sich im abgesperrten Bereich befinden, dürfen die
       Plastikbänder nicht passieren. Und so sitzt Margarita auf einer Mauer
       seitlich der Polizistenreihen und wartet.
       
       Die 60-Jährige war gerade auf dem Heimweg vom Einkaufen, als die Schüsse
       fielen. „Ich habe das Motorrad kommen sehen“, erzählt sie. „Es hielt
       gegenüber der Parteizentrale kurz an, mehrere Schüsse wurden abgefeuert und
       vor dem Eingang des Gebäudes sackten die Männer in sich zusammen.“ Sie
       selbst sei zwar keine Sympathisantin der Partei. Aber „das sind doch auch
       Menschen“, sagt sie leise.
       
       Laut überlegt Margarita: Vielleicht war es ein Racheakt. Und das dachten
       viele als Erstes, als die Nachricht bekannt wurde. Denn vor gut sechs
       Wochen hatte ein mutmaßliches Mitglied der Goldenen Morgenröte in der
       Hafenstadt Piräus den linke Rapper Pavlos Fysas alias Killah P. durch
       Messerstiche ermordet.
       
       Nachdem der Tod des 34-Jährigen bekannt wurde, hatten sich in ganz
       Griechenland Zehntausende Menschen gegen den rechten Terror versammelt. Die
       Tat schien Anstoß für die griechische Justiz zu sein, gegen die Chrysi Avgi
       härter vorzugehen: Sechs Abgeordnete der Chrysi Avgi sind festgenommen
       worden. Drei von ihnen wurden wieder freigelassen, doch Parteichef Nikos
       Michaloliakos und zwei weitere Abgeordnete der „Goldenen Morgenröte“ sitzen
       immer noch in Untersuchungshaft. Die Justiz wirft ihnen vor, die Partei in
       eine kriminelle Vereinigung umgewandelt zu haben.
       
       ## Passiv-aggressive Masse
       
       Die am späten Freitag getöteten Neonazis waren 22 und 27 Jahre alt, wie die
       Polizei mitteilte. Die Goldene Morgenröte bestätigte auf ihrer Webseite,
       dass beide Parteimitglieder waren. Am Tatort seien zwölf Patronen mit einem
       Kaliber von neun Millimetern gefunden worden, so die Polizei. Zwei Männer
       hätten auf dem Motorrad gesessen. Neben den zwei Getöteten wurde ein
       Dritter in der Gruppe schwer verletzt, der Vierte konnte ins Parteigebäude
       fliehen.
       
       Auf der anderen Seite der Absperrungen, direkt neben der Parteizentrale,
       haben sich etwa 50 Anhänger der Chrysi Avgi versammelt. Sie sind
       ausschließlich in Schwarz gekleidet: Militärhosen, schwere Schuhe – einige
       von ihnen tragen auch das hakenkreuzähnliche Parteisymbol auf ihrer
       Kleidung. Die Masse wirkt passiv-aggressiv. Die Neofaschisten werden von
       einem Mann Mitte 50 zusammengehalten. „Etwas weiter nach hinten, Kinder,
       weg von den Absperrungen und der Polizei“, ruft er ihnen sanft
       nachdrücklich zu. Die Masse gehorcht.
       
       Nachdem der Anschlag bekannt wurde und immer mehr Leute zum Tatort kamen,
       herrscht zunächst seitens der Rechtsextremen Aggression gegen die Presse.
       Es kommt zu harten Wortgefechten. Doch genau das suchen die
       Parteimitglieder eigentlich zu vermeiden. Denn seit der Ermordung des
       Rappers und die Festnahme der Politiker wächst der Druck auf die Partei.
       Sogar über ein Verbot der Chrysi Avgi wurde bereits diskutiert.
       
       Im Pulk der Neofaschisten begrüßen sich zwei junge Männer, etwa Mitte
       zwanzig, mit heftigem Schulterklopfen. Der eine wirkt verzweifelt. Immer
       wieder greift er sich ins Haar, versucht sich zu fassen. Er hat die Tat aus
       nächster Nähe miterlebt. „Die haben einfach geschossen, dann haben unsere
       Leute die Körper ins Gebäude gezogen“, berichtet er. Er verstummt. Wieder
       tritt der Mitfünfziger vor die versammelten Neofaschisten: „Zurücktreten!“
       Die Masse folgt.
       
       ## Akt der Destabilisierung
       
       Hinter den Absperrbändern ist derweil die Spurensicherung am Werk. Die
       Täter wollten nach Meinung vieler Kommentatoren – linker und rechter
       Gesinnung – mit dem Anschlag das Land destabilisieren. Dem stimmt auch
       Dimitrios Koukoutsis zu, Abgeordneter der Chrysi Avgi. Er schließt aber
       einen Racheanschlag der Linken aus. Griechenlands Regierungssprecher Simos
       Kedikoglou sagte, Justiz und Gesellschaft würden energisch gegen solche
       Attacken vorgehen.
       
       Margarita hat sich nun von der Mauer erhoben und vertritt sich die Beine.
       „Ob links oder rechts, die sollen sich nicht umbringen“, sagt sie,
       schüttelt immer wieder den Kopf und murmelt vor sich hin: „In was für einer
       Demokratie leben wir denn?“
       
       3 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Theodora Mavropoulos
       
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