# taz.de -- Muslimbrüder in Ägypten: Keine Strategie für eine Konfrontation
       
       > Die älteste Islamistenorganisation der Welt ist mit ihrer Strategie
       > gescheitert – ein politischer Neuanfang schwierig. Wie die Zukunft
       > aussehen könnte.
       
 (IMG) Bild: In Luft auflösen wird sich die Organisation nicht: Anhänger der Muslimbrüder in Kairo.
       
       KAIRO taz | Expräsident Mohammed Mursi steht vor Gericht, das Gros ihres
       politischen Kaders ist im Gefängnis: Wie könnte da die Zukunft der
       Muslimbrüder aussehen? Eines ist dabei sicher: Die seit über 80 Jahren
       bestehende Organisation mit mehreren hunderttausend Mitgliedern und
       Millionen Anhängern wird sich nicht in Luft auflösen.
       
       Kamal Habib, Experte für Islamisten in Ägypten, geht davon aus, dass die
       Muslimbrüder keine Strategie für eine Konfrontation mit dem Staat haben.
       Habib saß einst als führendes Mitglied der islamistischen Dschihad-Bewegung
       im Gefängnis. „Die Taktik der Muslimbrüder, darauf zu bestehen, dass Mursi
       wieder in Amt und Würden kommt, wird sie nicht weit führen“, glaubt er.
       
       Es gäbe nun zwei Optionen für sie. Zumindest ein Teil könnte zu zu Gewalt
       greifen und in den Untergrund gehen. Eine andere Option könnte die Reform
       der Organisation sein, um dann ihre Rückkehr in die Politik auszuhandeln.
       Doch die Muslimbrüder seien nach dem Aufstand gegen Mubarak nach rechts
       gerückt, erklärt Habib. Statt sich mit den Liberalen zu verbünden, hätten
       sie sich unter Mursi mit radikaleren Gruppen wie den Salafisten
       zusammengetan.
       
       „Sie haben nicht zur Kenntnis genommen, dass die ägyptische Straße nicht
       ausschließlich eine islamische ist“, konstatiert Habib. Ihr größter Fehler
       sei gewesen, Glauben und Politik zu vermengen. So seien die Muslimbrüder zu
       Geiseln ihrer mit Religion vermischten Politik und die ihrer noch mehr
       rechts stehenden Bündnispartner geworden.
       
       ## Führung hat Forderungen ignoriert
       
       Der 29-jährige Muhamad El-Gebba war Mitglied der Muslimbrüder, seit er 17
       Jahre alt war. Vor zwei Jahren ist er ausgetreten, erzählt er, aus Protest,
       dass die Mission der Islamisierung der Gesellschaft mit der Parteipolitik
       verquickt wurde. Außerdem beklagt er die mangelnde Demokratie innerhalb der
       Bruderschaft. 80 Prozent der Mitglieder seien unter 30 Jahre alt, aber die
       Führung habe die Forderungen der jüngeren Muslimbrüder immer ignoriert, vor
       allem die nach einer bis ins liberale Lager breit angelegten
       Bündnispolitik.
       
       Nach Auffssung von El-Gebba hat Mursis Politik direkt zum Putsch geführt.
       Man hätte ihn auf einen zivilen Weg, etwa durch einen Generalstreik, zu
       vorgezogenen Wahlen zwingen und ihn nicht mithilfe des Militär absetzen
       sollen.
       
       El-Gebba repräsentiert jene neue Generation junger Islamisten, mit denen
       die Liberalen versuchen könnten, einen Ausgleich zu finden und die
       islamischen Strömung wieder in die Politik mit einzubeziehen. „Aber es wird
       keinen demokratischen Übergang geben, der vom Militär gesponsert wird“, ist
       sich El-Gebba sicher. Denn eine politische Aussöhnung kann es für ihn nur
       geben, wenn alle, die Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft gezogen
       werden. Das gelte auch für das Militär und den Sicherheitsapparat.
       
       ## Demokratie von drei Dingen bedroht
       
       Abdel Moneim Abul Futuh ist ein anderer Aussteiger der Muslimbrüder. Er
       kandidierte 2012 gegen Mursi für die Präsidentschaft und landete auf dem
       vierten Platz. Auch er könnte eine Schlüsselfigur für einen politischen
       Ausgleich sein. Auch er glaubt nicht, dass das Militär einen demokratischen
       Fahrplan hat. „Was garantiert denn im Moment, dass niemand von
       Parlamentswahlen ausgeschlossen wird, wenn die politische Strömung der
       Muslimbrüder nicht nur ausgeschlossen wird, sondern ihre Vertreter
       verhaftet oder sogar getötet werden“, fragt er.
       
       Es werde keine Demokratie geben, solange diese von drei Dingen bedroht
       werde: die Vermischung von Religion und Parteiarbeit, die Einmischung des
       Militärs in die Politik und die ausländischen Gelder, mit denen versucht
       werde, Ägyptens Entwicklung zu beeinflussen.
       
       Selbst relativ weltoffene, den Islamisten nahestehende Ägypter wie El-Gebba
       und Abu Futuh können es sich kaum vorstellen, in der jetzigen Situationen
       einen politischen Ausgleich zu finden. Andererseits möchte ein Großteil der
       Liberalen die Muslimbrüder als politische Kraft ein für alle Mal
       ausradieren. Das zeigt, wie verfahren die Lage in Ägypten derzeit ist. Die
       beiden Prozesse gegen Mursi und Mubarak sind eine Reflexion dieser
       politischen Krise.
       
       5 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
       
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