# taz.de -- Wulff, Brüderle, Tebartz-van Elst: Sex, Lügen und Geschrei
       
       > Erregung gehört zum medialen Kerngeschäft. Skandale zeigen
       > gesellschaftlichen Gesprächsbedarf an. Aber bringt die Empörung wirklich
       > was?
       
 (IMG) Bild: Damals noch kein Skandal: als rheinland-pfälzischer Weinbauminister testete Rainer Brüderle 1995 Huxeltrauben mit Corinna I
       
       Wer war nochmal dieser Tebartz-van Elst? Der Tag wird kommen, an dem jemand
       beim Smalltalk diese Frage stellt. Der Bischof ist wegen seines „Prunkbaus“
       und einer Badewanne, die es womöglich auch im einen oder anderen Baumarkt
       zu kaufen gibt, Gegenstand einer erregten Debatte geworden. Als Symbolfigur
       steht er für das Bedürfnis nach Repräsentation in einer Kirche, deren Chef
       gerade in die Bescheidenheitsoffensive gegangen ist.
       
       Skandalisierungen folgen ihren eigenen Rhythmen. 22 Talkshows widmeten sich
       im vergangenen Jahr den Verfehlungen des Bundespräsidenten Christian Wulff.
       Er trat zurück. Am Donnerstag beginnt in Hannover der Prozess. Die
       Staatsanwaltschaft wirft Wulff Vorteilsannahme vor. Er soll sich als
       niedersächsischer Ministerpräsident einen Oktoberfestbesuch teilweise vom
       Filmproduzenten David Groenewold bezahlt haben lassen. Später soll Wulff
       für ein Filmprojekt Groenewolds geworben haben.
       
       Wulff hatte es abgelehnt, sich auf einen Deal einzulassen, der zur
       Einstellung des Verfahrens geführt hätte. Er will vor Gericht die Vorwürfe
       entkräften. Die Erkenntnisse, die in der öffentlichen Verhandlung gewonnen
       werden, könnten den Skandal noch einmal in einem neuen Licht erscheinen
       lassen.
       
       In vielen anderen Fällen gab es keine Gelegenheit zur Korrektur eines
       Stimmungsbilds, das durch Leitartikel und Talkshows geprägt wurde.
       Vielleicht ist das auch nicht nötig, weil das Publikum womöglich kritischer
       ist, als sich die Redaktionen es sich vorstellen.
       
       Menschen lieben Skandale, weswegen Erregung und Empörung zum medialen
       Kerngeschäft gehören. Das wiederum lässt es immer etwas bigott erscheinen,
       wenn sich Journalisten in den Medien über öffentliche Erregung erregen.
       Trotzdem ist es erhellend, vergangene Empörungswellen zu studieren und zu
       vergleichen. Sie geben Auskunft darüber, was die Leute umtreibt.
       
       ## Lautes Pfeifen der Skandale
       
       Nicht jeder Skandalisierungsversuch führt zur großen Empörung. Ein gewisses
       Maß an gesellschaftlichem Gesprächsbedarf muss gegeben sein. Auch wenn sich
       in ein paar Jahren niemand mehr an den Bischof von Limburg erinnern sollte,
       wird die Frage, wie reich die Kirche sein darf, vermutlich nicht
       verschwunden sein.
       
       Die großen Skandale lassen sich als gesellschaftliche
       Selbstbeobachtungsprozesse beschreiben. Ihre Rückkopplungen schwellen
       irgendwann zu einem lauten Pfeifen an, das in den Ohren klingelt.
       
       Deshalb kann man sich fragen, was die Empörung bringt, und wer von ihr
       profitiert. Es wäre vermutlich besser gewesen, die kruden Thesen Thilo
       Sarrazins nicht in auflagenträchtigen Vorabdrucken unters Volk zu bringen,
       sondern sie in kurzen Rezensionen abzuhandeln. Dann aber hätte man auch
       nicht beobachten können, wie anfällig diese Gesellschaft immer noch für
       eugenisches und rassistisches Gedankengut ist.
       
       In anderen Fällen darf die Nachhaltigkeit der Aufregerthemen bezweifelt
       werden. Die Skandalisierung des misslungenen Flirtversuchs von Rainer
       Brüderle hat wenig Neues über das Frauenbild einer älteren Generation von
       Männern an den Tag gebracht. Man sollte annehmen, dass Journalisten nichts
       Menschliches fremd ist. Aber offensichtlich kann auch das Anlass zur
       Empörung sein.
       
       Brauchen wir Skandale? Sind sie dazu da, den Leserinnen und Zuschauern das
       wohlige Gefühl zu geben, so doof oder unmoralisch wie die öffentlich
       Vorgeführten seien sie selber nicht? Hat öffentliche Empörung die
       gesellschaftlich wertvolle Funktion, drängende Themen zur Diskussion zu
       stellen? Oder lenkt uns die auf einzelne Personen projizierte Erregung nur
       davon, über wirklich empörende Verhältnisse nachzudenken?
       
       9 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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