# taz.de -- Sex im Büro: Höchstens ein Kavaliersdelikt
       
       > SPD-Landrat Michael Adam hatte Sex im Büro. Sein Mann verzieh ihm, die
       > Gazetten freuen sich. Ist Adam Opfer eines bayerischen SPD-Komplotts?
       
 (IMG) Bild: Hat sich für seine Sexaffäre entschuldigt: der Regener Landrat Michael Adam.
       
       BERLIN taz | So was passiert unter allen Eheleuten oder LebensgefährtInnen,
       einerlei ob hetero oder homo. Dass da einer oder eine nicht mit dem oder
       der Angetrauten das Geschlechtliche verrichtet, sondern aushäusig quasi.
       Man nennt es gewöhnlich Seitensprung. Prominente sind natürlich nicht
       gefeit gegen derlei Anfechtungen des Lebens – aber wenn sie ihre Triebe
       nicht kontrollieren können oder wollen, hat das Mediengewerbe viel zu
       berichten.
       
       Das Publikum delektiert sich an ihnen und ihren Geschichten – und
       entscheidet, was die Sympathien anbetrifft, nur nach der Güte des
       sogenannten Skandals. Einem Beckenbauer wurde alles verziehen (Tatort:
       Büro), einem Boris Becker (Besenkammer) auch, Horst Seehofer (Geliebte plus
       Kind) natürlich ebenso. Die Zeiten wie in den Sechzigern, dass ein
       Hamburger SPD-Bürgermeister wie Paul Nevermann zurückgetreten wurde, weil
       er eine Affäre hatte und der sozialdemokratische Parteiadel an der Elbe das
       für igittigitt hielt, sind vorbei: Sexuelles eignet sich nur noch bedingt
       als Denunziationsmaterial.
       
       Schlüpfrig könnte es werden, wäre zu fantasieren, wenn solcher Klatsch und
       Tratsch aus dem Privatesten bei einem schwulen Mann ruchbar werden. Die
       Tageszeitung Welt griff nun einen Bericht der Bild am Sonntag auf,
       Überschrift: „Skandal oder eine Intrige gegen schwulen Landrat?“
       
       Berichtet wird nichts Politisches, nur privat Gesinntes: Dass da ein
       sozialdemokratischer Politiker aus Regen, Bayerischer Wald, in seinem
       Amtsbüro Sex mit einem Mann hatte. Kennengelernt hatten sich beide über das
       Internetforum „Gayromeo“ – heraus kam jedenfalls, so erfährt die
       Öffentlichkeit, eine Begebenheit, die unter Heterosexuellen inzwischen, wie
       es früher so rüschig hieß, ein Kavaliersdelikt wäre. Weder strafbar noch
       sonderlich anrüchig.
       
       Der Landrat nämlich, der Michael Adam heißt, hat gegen keine Bestimmung
       verstoßen; hat nicht berlusconiesk das Objekt seines aktuellen Begehrens
       aus seinem Amt heraus protegiert. Der einzig Geschädigte ist, nach Lage der
       Dinge, der Ehepartner Adams – aber auch der hat seinem Mann längst in einem
       bewusst öffentlich gehaltenen Brief verziehen.
       
       ## Keine echte Skandalstimmung
       
       Erstaunlich an diesem Fall ist, dass Medien wie die Tageszeitung aus dem
       Springer-Verlag oder die konservativ-tonangebenden Blätter aus Passau und
       Umgebung mit ihrer Geschichte keine echte Skandalstimmung entfachen können.
       Im Gegenteil – nach Auskunft des alternativen Mediendienste Passauer freie
       Presse – Bürgerblick habe sich „ihre aufgebrachte Leserschaft“ über die
       „Schmutzkampagne gegen den Landrat“ beschwert.
       
       Michael Adam gehört in seiner Partei, der SPD, zu den prominentesten
       Politikern in Bayern. Pikant aber ist, dass er sich zugleich mit dem
       Landesvorsitzenden Florian Pronold verzankt hat. Der Landrat hatte den
       Bundestagsabgeordneten häufiger schon kritisiert und auch gemeint, er fühle
       sich von CSU-KollegInnen ernster genommen als von der eigenen Parteispitze
       in München – und entsprechend zur bayerischen Landtagswahl die CSU empfahl,
       nicht die eigene Partei. Könnte also sein, dass ein schwuler Freund
       Pronolds das sexuelle Abenteuer den Medien durchgestochen hat.
       
       Michael Adam selbst hat über seinen Sprecher mitgeteilt, er stehe unter
       starkem psychischen Druck. Ihm sei „nicht ersichtlich, warum ich mich als
       einer von vielen hunderten Landräten bundesweit in den Medien für mein
       Privatleben erklären muss“. Mit seinem Ehemann ist er in die Ferien
       gefahren.
       
       Erwiderung von Florian Pronold, SPD-Landesvorsitzender von Bayern: 
       
       Liebe taz-Redaktion, liebe Leserinnen und Leser! 
       
       Recht hat Herr Feddersen, wenn er kritisieren wollte, dass Boulevard-Medien
       die Sex-Affäre des SPD-Landrats Adam nur so hochspielen, weil dieser schwul
       ist. Aber warum tritt der Autor selbst journalistische Grundsätze mit Füßen
       und greift zu schwulenfeindlichen Verdächtigungen - in ähnlicher Weise, wie
       die von ihm kritisierten Medien? Landrat Adam ist laut Überschrift mit
       Fragezeichen „Opfer eines bayerischen SPD-Komplotts“ geworden. Nach 2/3 des
       Textes sucht man oder frau noch immer vergeblich nach dem Komplott. Doch
       dann wird es „pikant“. Der SPD-Landrat hat „zugleich“ (!) Streit mit mir,
       dem bayerischen SPD-Landesvorsitzenden. Der Pseudo-Beleg für das
       „SPD-Komplott“ folgt sogleich: „Könnte also sein, dass ein schwuler Freund
       Pronolds das sexuelle Abenteuer den Medien durchgestochen hat.“ Das war
       alles?! 
       
       Um Klatsch und Gerüchte in die Welt zu setzen reicht es. Die taz spaziert
       damit auf dem journalistischen Boulevard-Weg: Fragezeichen in der
       Überschrift! Keine Quellenangabe fürdie Verdächtigung! Keine Rückfrage oder
       Chance zur Stellungnahme vorab! Warum verdächtigt Herr Feddersen den
       „Durchstecher“ schwul zu sein? Und war mein mir selbst unbekannter,
       ominöser, aber sicher schwuler Freund allein das ganze SPD-Komplott aus
       taz-Überschrift? 
       
       Mist aber auch. Der Pressesprecher des Landrats verdächtigt jemand
       außerhalb der SPD, der „Durchstecher“ zu sein. Das steht zwar in vielen
       anderen Medien, findet aber in dieser taz-Geschichte keinerlei Erwähnung.
       Zuviel Recherche schadet einer haltlosen Geschichte. Diese stand wohl
       vorher schon fest, als Verschwörungstheorie im Kopf des Verfassers. Aber
       warum steht sie in der taz? 
       
       Fragt Sie Ihr Florian Pronold, SPD-Landesvorsitzender von Bayern
       
       19 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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