# taz.de -- Flüchtlinge in Kreuzberg: Gekommen, um zu bleiben
       
       > Es brodelt weiter am Oranienplatz: Ein Teil der Flüchtlinge will dort
       > weiter campieren. Der Bezirk bekräftigt seinen Plan, die Zelt dort
       > abzubauen.
       
 (IMG) Bild: Ein Teil der Flüchtlinge will im Camp auf dem Oranienplatz bleiben.
       
       Am Montagnachmittag stehen die Flüchtlinge wieder auf der Straße. „We are
       here, and we will fight“, rufen die 300 Demonstranten, unter ihnen viele
       Unterstützer. Vom Oranienplatz ziehen sie einmal durch den Kreuzberger
       Kiez, kehren zum Platz zurück. Auch die Polizei ist dabei. Diesmal bleibt
       alles ruhig.
       
       Schon am Vorabend hat es eine Spontandemo für das vor mehr als einem Jahr
       von Flüchtlingen errichtete Protestcamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz
       gegeben. [1][Zuvor waren am Sonntag 80 Campbewohner in eine von Senat und
       Bezirk gestellte Winterunterkunft gezogen], ein früheres Seniorenheim im
       Wedding. Dann ging alles ganz schnell: Bezirksbürgermeisterin Monika
       Herrmann (Grüne) entzog die bisherige Duldung für das Camp – die Bewohner
       hätten ja nun ein Obdach. 150 Polizisten rückten an, um die Zelte
       abzubauen.
       
       Darauf reagierte die linke Szene: Über SMS-Ketten alarmiert strömten gut
       600 Unterstützer zu den rund 20 im Camp verbliebenen Flüchtlingen. Bezirk
       und Polizei brachen den Einsatz ab: Man habe festgestellt, dass in den
       Zelten noch Menschen wohnten. Die Unterstützer hurteten dennoch mit einer
       Spontandemo durch Kreuzberg. Flaschen flogen, an das Grünen-Büro in der
       Dresdener Straße klatschten rote Farbbeutel. Die Polizei bilanzierte am
       Sonntag 31 verletzte Kollegen und fünf Festnahmen.
       
       Am Montag nimmt Herrmann den Druck raus. „Wir werden uns die Lage in Ruhe
       angucken und Gespräche auf dem Platz führen“, sagt die Grüne. An der
       Entscheidung aber hält sie fest: Das Camp müsse weg, nur ein Infozelt dürfe
       bleiben. Das werde nun als Sondernutzung genehmigt. „Damit kann der
       berechtigte Protest weitergehen“, so Herrmann. „Aber ohne dass Menschen
       dafür frieren und hungern müssen.“ So sei es vereinbart worden: Unterkunft
       gegen den Abbau der Zelte.
       
       Das Problem nur: Auf dem Oranienplatz hatten sich längst zwei Fraktionen
       gebildet. Das Gros der Bewohner, afrikanische Flüchtlinge aus dem
       italienischen Lampedusa, hatten sich auf den Deal eingelassen. Viele von
       ihnen haben italienische Aufenthaltspapiere, suchen hier nach Arbeit. Seit
       Wochen hatten sie über die Kälte geklagt, ein Haus für den Winter
       gefordert.
       
       Die andere Fraktion lädt am Montag zur Pressekonferenz ins Camp. Sie hatte
       sich bereits am Sonntag geweigert umzuziehen. Einige dieser Fraktion sind
       Urbesetzer des Platzes, haben Asylverfahren in anderen Bundesländern. Von
       Beginn an stellten sie weitreichende Forderungen: Abschaffung von
       Residenzpflicht, Sammellagern und Abschiebungen. Zuletzt waren sie meist
       nur noch tagsüber vor Ort, schliefen in der besetzen Schule in der Ohlauer
       Straße oder bei Bekannten. Nun haben sie frisch gepinselte Banner
       aufgehängt: „We will stay“.
       
       ## Unerfüllte Forderungen
       
       „Über unsere Forderungen wurde nie geredet“, kritisiert die Sudanesin
       Napuli Langa. „Nichts ist davon erfüllt, deshalb bleibt das Camp.“ Auch
       rund 100 Unterstützer sind wieder da. Die Pressekonferenz wird zum
       Kampfauftritt. „Herrmann raus“, ruft ein junger Autonomer.
       
       Auf dem Podium sitzt auch Bashir Zakariyar, ein Nigerianer, der am Sonntag
       in den Wedding gezogen war. Auch er schimpft. Nie habe man dem Abbau der
       Zelte zugestimmt. Auch sei in der Unterkunft viel zu wenig Platz. „Was soll
       mit den anderen passieren?“ Zakariyar schließt auch einen Auszug aus der
       Unterkunft aus, der laut Senat im kommenden März erfolgen soll. „Das Haus
       gehört den Geflüchteten, das werden wir nicht mehr verlassen.“
       
       „Schade“, kommentiert Herrmann die Äußerungen. „Die Abmachungen waren
       andere.“ Dahinter zurückfallen will der Bezirk nicht mehr: Die Duldung
       bleibt aufgehoben. Druck kommt auch von Innensenator Frank Henkel (CDU).
       „Jetzt gilt es“, sagt dessen Sprecher, „nicht auf halbem Weg
       stehenzubleiben, sondern die Situation am Oranienplatz wieder zu
       normalisieren“.
       
       Die Flüchtlinge im Camp geben sich widerständig. „Es ist nicht der erste
       Winter, den wir auf dem Platz überstanden haben“, sagt Langa. Ob dies ein
       zweites Mal gelingt, wird man sehen. Am Montagmorgen waren viele Zelte
       verwaist, nur gut 20 Flüchtlinge schliefen dort. Im Bezirksamt aber
       fürchtet man, dass sich die Zelte schnell wieder füllen könnten.
       
       Herrmann will in den kommenden Tagen persönlich im Camp vorsprechen. Die
       dortigen Flüchtlinge wollten schon am Montag das Gespräch: Gleich nach der
       Pressekonferenz ziehen sie mit ihrer Demo gen Bezirksrathaus. Als sie
       erfahren, dass Herrmann außer Haus ist, bleibt‘s bei derKiezrunde. Am
       Mittwoch aber, wenn das Bezirksparlament tagt, soll erneut protestiert
       werden. Es ist wieder Kampf auf dem Oranienplatz.
       
       25 Nov 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fluechtlinge-im-Wedding/!128192/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA