# taz.de -- Die Wahrheit: Mick Sailor macht nicht auf
       
       > Wer weiß schon, ob der Beamte vor der Tür tatsächlich ein Beamter ist und
       > nicht irgendein hergelaufener Betrüger?
       
 (IMG) Bild: Druckbetankung: Wer braucht schon Gläser?
       
       Um nichts in der Welt kann sich der alte Mick Sailor erklären, wieso er vor
       Gericht stehe, wo er doch niemandem etwas getan habe. Der Richter, den das
       rigorose Auftreten des alten Mannes ein wenig rührt, muss ihn gleichwohl
       belehren, dass eine ganze Reihe von Anzeigen gegen ihn vorliegen. Mit einer
       Beleidigung gehe es los, unterlassene Hilfeleistung komme hinzu, die
       Ruhestörung sei vielleicht lässlich, aber bestimmt nicht die
       Körperverletzung, zumal sich diese auf einen irischen Staatsbeamten im
       Dienst beziehe.
       
       Beleidigt, sagt Herr Sailor, habe er niemanden, aber er könne es sich auch
       nicht gefallen lassen, wenn er alle Nase lang herausgeläutet werde, weil
       bald Weihnachten sei und irgendjemand irgendeinen Tinnef verkaufen wolle.
       
       Er habe dem jungen Mann klar gemacht, dass er bereits der Achte an diesem
       Tag sei, der ihm etwas andrehen wolle, und dass er keine Weihnachtskarten
       benötige, weil seine Freunde längst schon auf dem Friedhof lägen. Als der
       junge Mann pampig wurde, habe er ihm lediglich erklärt, dass er ein
       Rotzlöffel sei.
       
       Der Richter fragt, ob nicht noch der eine oder andere in der Anzeige
       aufgeführte Begriff gefallen sei? Davon wisse er nichts, stellt Herr Sailor
       fest. Die meisten dieser Wörter kenne er gar nicht. Eine Viertelstunde
       später habe es schon wieder geläutet, aber da habe er gar nicht erst
       aufgemacht. Woher hätte er denn wissen sollen, dass es diesmal die
       Nachbarin Frau Murphy war, die ihren Schlüssel in ihrem Haustürschloss
       abgebrochen habe? Dann habe diese Person auch noch statt einem Schlosser
       gleich die Polizei gerufen.
       
       ## Frau Murphy läuft rot an
       
       Ob er nicht bedacht habe, dass sich die Zeugin Murphy Sorgen macht, wenn
       er, der sonst immer zu Hause sei, plötzlich die Tür nicht öffne, fragt der
       Richter. Wenn sich jemand sorgt, sagt Mick Sailor, dann schimpft er doch
       nicht wie ein Rohrspatz und zeigt einen dann noch an! Frau Murphy läuft rot
       an und schreit, es habe nicht sie geschrien, sondern der Herr Sailor
       selbst, was der Polizist, der neben ihr sitzt und sein Gipsbein anschaut,
       bestätigen könne.
       
       Er habe den Beamten nicht körperverletzt, sagt Herr Sailor, sondern ihm nur
       einen kleinen Stoß gegeben, woraufhin er über Frau Murphy gestolpert und in
       die Büsche gestürzt sei. Im Übrigen könne man in diesen Zeiten, wo man
       jeden Tag Geschichten von Trickbetrügern lese, seine Besitztümer gleich aus
       dem Fenster werfen, wenn man jeden ins Haus lasse, der sich als Polizist
       ausgebe. Einen Dienstausweis könne jeder Halunke fälschen.
       
       Der Richter ist versucht, Herrn Sailor zu fragen, wie sich ein echter
       Polizist seiner Meinung nach kenntlich machen solle, aber er seufzt bloß,
       verzichtet auf weitere Vernehmungen und beschränkt das Strafmaß auf einen
       geringfügigen Geldbetrag, den Mick Sailor gern zu zahlen bereit ist.
       
       Weil der Richter kein Bargeld annehmen will, muss er seinen Geldbeutel
       wieder wegpacken, jedoch nicht, ohne vorher dem Polizisten eine Tafel
       Schokolade als Schmerzensgeld zuzustecken, was dieser mit einem verschämten
       Lächeln quittiert.
       
       15 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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