# taz.de -- Sachbuch „Mr. Smith und das Paradies“: Die Mythen des Homo oeconomicus
       
       > Georg von Wallitz ist Vermögensverwalter. In seinem aktuellen Buch
       > versucht der studierte Philosoph zu definieren, was Wohlstand ist.
       
 (IMG) Bild: Ein altbewährtes und gern genommenes Wohlstandssymbol: Gold.
       
       Wenn alles zusammenbricht, beherrscht der Schock über das Ausmaß des
       Verlorenen die Köpfe. Nach den ersten Aufräumarbeiten wächst im
       Zuschauerhirn – das chaotische Panorama vor Augen – der Wunsch nach einer
       schlüssigen Erklärung.
       
       Dies gilt insbesondere seit dem Sommer 2007 für die Banken- und Finanzkrise
       und ihre Folgen. Die Menschen haben sich zwar an die Einschläge
       ökonomischer Meteore gewöhnt, an fortwährende griechische Sparaushalte,
       „negatives Wachstum“ sowie die ein oder andere „Bad Bank“, aber sie wollen
       nun auch das komplexe Wirtschaften dahinter verstehen. Kurz: Einer soll's
       doch bitte mal verständlich erklären.
       
       Motivierte Propheten gäbe es genug. Einen ganz eigenen Platz im bunten
       Analystenkarussel nimmt unaufgeregt der [1][Münchner Vermögensberater Georg
       von Wallwitz] ein. Den Fondsmanager, der Philosophie und Mathematik
       studiert hat, interessieren dabei Pointen mehr als Populismus und
       geisteswissenschaftliche Diagnosen mehr als formelgerechte Zahlenspiele.
       Sein neues, im Berliner Berenberg-Verlag erschienenes Buch „Mr. Smith und
       das Paradies. Die Erfindung des Wohlstands“ funktioniert demzufolge als
       leichte, analytische Erzählung, in der auch Zola, Dickens oder Novalis
       intertextuelle Wertpapiere anbieten dürfen.
       
       Doch die Hauptdarsteller auf 194 gut lesbaren Seiten sind bekannte
       (Vor-)Denker des Kapitalismus. Sie werden bis in ihre Alltagsmarroten
       hinein zu Leitfiguren eines historischen Stücks, das einem distanzierten
       sozio-kulturellen Motiv folgt: „Nicht weniger als die Literatur wird die
       Ökonomie zu einer Reflexion ihrer Zeit und ist dabei veränderlich wie ein
       alternder Spiegel, dessen blinde Stellen ihn selbst zu einem Gemälde
       machen“.
       
       ## Humorvolle Wohlstandsfibel
       
       In diesem Sinne funktionierten die stellenweise essayartigen Überlegungen
       des Autors nicht als konkrete wirtschaftliche Anamnese, die klare
       Therapieangebote bedingt, sondern eher als genealogisch strukturierte,
       humorvolle Wohlstandsfibel. Ausgangspunkt sind Voltaires „Philosophische
       Briefe“, die „das Staatswesen nach den kaufmännischen Kriterien von
       Verdienst und Effizienz“ ordnen. Getreu der Devise: Warum auf das Paradies
       nach dem Tod warten, wenn man sich ein irdisches durch Wohlstand selber
       bauen kann.
       
       Daran schließt bei Wallwitz die klassische Wirtschaftsgeschichte an –
       beginnend mit Adam Smiths „Wealth of Nations“ (1776): „Die Verbindung die
       Voltaire zwischen Ökonomie und Politik hergestellt hatte, wurde durch Smith
       konkret. [...] Wohlhabend war, wer viele Sachen hatte, und die meisten
       Sachen konnte ein freier Markt produzieren. So ist der Wohlstand dessen
       selbstverständliches Produkt“.
       
       Es folgt das Freihandelsmaxim von David Ricardo, der „die Lehre von der
       Schaffung des Wohlstands an die Bedingungen der industriellen Revolution“
       anpasste. Danach darf sich Rousseau als „zorniges Sprachrohr der
       Entrechteten“ mit der Verteilung von Besitz und Eigentum beschäftigen.
       
       Themen, die auch Frühsozialisten und Anarchisten wie etwa Michail Bakunin
       (1814-1876) begierig aufgreifen. Hier lässt sich exemplarisch die Fähigkeit
       Georg von Wallwitz' zeigen, punktgenau und unterhaltsam zu definieren:
       „Anders als Marx, der das Leben eines Professors führte, war Bakunin kein
       Schreibtischrevolutionär. [...] Der Kommunismus war eine Denkform, während
       der Anarchismus eine Lebensform war, und beide sind es immer geblieben.“
       
       ## Am Ende landet man bei Schumpeter
       
       Später dürfen sich der sozialliberale John Stuart Mill als Utilitarist und
       „Konsequentialist“ sowie „Makroökonom“ Keynes, bei dem der Staat sich nicht
       mehr aus der Verantwortung stehlen darf, „wenn die Nachfrage kollabiert und
       die Wirtschaft ruiniert wird“, austoben. Am Ende landet man bei Schumpeters
       Prozess der kreativen Zerstörung.
       
       Im Schatten der aktuellen (Finanz-)Krisen ist das Interesse der Menschen an
       ökonomischen Theorien gewachsen. Doch bleiben diese als alleinige
       Erklärungen für das Auf und Ab der Märkte vielen fremd. Eine Verknüfung mit
       kulturwissenschaftlichen Narrationsmustern wirkt heilsam, dies zeigen auch
       die Überlegungen von Georg von Wallwitz, dessen Buch sich als gelungene und
       lockere Einführung in die Wirtschaftsgeschichte lesen lässt.
       
       Denn auch wenn die Postmoderne die großen Erzählungen längst verabschiedet
       hat, scheint der Homo oeconomicus wieder verstärkt nach seinen eigenen
       Mythen zu suchen: „Das Wenigste, das zum guten Leben gehört, ist bei
       genauerem Nachdenken materieller Natur und die Ökonomie kann damit nur über
       die Randbedingungen des Paradieses etwas sagen.“
       
       18 Dec 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://eybwallwitz.de/index.php?article_id=7
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Scheper
       
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