# taz.de -- Kolonialist Lettow-Vorbeck: Heldentaten vor Gericht
       
       > Das Amtsgericht Hannover spricht einen Gutachter von dem Vorwurf frei,
       > das Andenken des Kolonialhelden Paul von Lettow-Vorbeck verunglimpft zu
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Kolonialpostkartenheld oder Kriegsverbrecher? Paul von Lettow-Vorbeck.
       
       HANNOVER taz | Das Amtsgericht Hannover hat am Mittwoch einen Historiker
       von dem Vorwurf frei gesprochen, er habe das Andenken des kaiserlichen
       Kolonialhelden Paul von Lettow-Vorbeck verunglimpft. Im Rahmen eines
       Gutachtens für die Stadt Hannover war der Historiker Helmut Bley zu dem
       Schluss gekommen, Lettow-Vorbeck habe in Afrika und Deutschland gegen das
       Kriegsrecht verstoßen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Hochverrat
       begangen. Geklagt hatten die Töchter des Generals, Heloise und Ursula zu
       Rantzau. Sie sehen durch Behauptungen des hannöverschen Historikers Helmut
       Bley das Andenken ihres Vaters verunglimpft.
       
       Die Richterin Catharina Schwind sagte in ihrer Urteilsbegründung, den
       Klägerinnen sei es nicht gelungen, zu beweisen, dass die von Bley
       aufgestellten Behauptungen falsch seien. Wie die gegensätzlichen
       Einschätzungen der Gutachter zeigten, handele es zudem primär um
       Werturteile, die von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Bley habe nicht
       mit dem Vorsatz gehandelt, den General zu verunglimpfen, sondern einen
       Auftrag der Stadt abgearbeitet. Seine Behauptungen seien auch von der
       Wissenschaftsfreiheit gedeckt.
       
       Der Streit geht zurück auf einen Antrag der Linken und der SPD auf
       Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Allee in Hannover. Anwohner klagten und die
       Stadt bat Bley zu klären, ob sich der Name Lettow-Vorbeck noch mit den
       Richtlinien der Stadt für die Wahl von Straßennamen vertrage. Bley befand:
       Nein.
       
       Die Klägerinnen störe nicht die Umbenennung einer Straße, wie ihr Anwalt
       Klaus Goebel betonte, sondern die ihrer Ansicht nach falschen Behauptungen,
       die Bleyl in seinem Gutachten aufgestellt habe. Ob denn der General zu
       Hause, von Todesurteilen gesprochen habe, die er ausgesprochen habe, fragte
       er die anwesende Klägerin Heloise zu Rantzau. „’Gottseidank bin ich nie in
       die Lage gekommen, das zu tun‘, habe ihr Vater gesagt“, erzählte die fast
       90-Jährige.
       
       Das Amtsgericht Hannover hat Bley vor zwei Jahren frei gesprochen. Das
       Oberlandesgericht Celle kassierte den Spruch, weil der Tatbestand nicht
       genügend erforscht worden sei.
       
       Richterin Schwind, die den Fall übernommen hat, versuchte, mit Hilfe von
       zwei Gutachtern beider Seiten den Wahrheitsgehalt von elf Aussagen aus
       Bleys Gutachten zu klären. Die Gräfinnen boten den pensionierten Oberst
       Werner Patzki auf. Er habe sich während seiner Dienstzeit mit
       wehrgeschichtlichen Themen befasst, sagte Patzki, und später noch drei
       Semester Geschichte studiert. Der zweite Gutachter war Uwe
       Schulte-Varendorff, der seine Magisterarbeit in Geschichte zu einem Buch
       über Lettow-Vorbeck ausgebaut hat und auf den sich Bley unter anderem
       stützt.
       
       Patzki machte überwiegend Negativ-Aussagen. Tenor: Wenn es denn überhaupt
       Verbrechen gegeben habe, so seien sie Lettow-Vorbeck nicht persönlich
       anzulasten. Das betreffe etwa den Kapp-Lüttwitz-Putsch von 1920, an dem er
       sich beteiligte.
       
       Wie Schulte-Varendorff belegte, ließ Lettow-Vorbeck im Rahmen des von den
       Putschisten verhängten Belagerungszustands Standgerichte einrichten und
       Rädelsführer sowie Streikposten mit dem Tode bedrohen. Zeugenaussagen
       zufolge hätten Soldaten Lettow-Vorbecks Menschen erschossen. Lettow-Vorbeck
       sei ein Werkzeug des Belagerungszustandes „und der zu diesem Zeitpunkt
       amtierenden Regierung“ gewesen, sagte Patzki. Ob das bedeute, dass er die
       Putschisten-Regierung für legitim halte, fragte Bley. Analog könne man auch
       Scheidemanns Revolutionsregierung für illegitim halten, fand der
       Klägerinnen-Anwalt Goebel.
       
       In Bezug auf Lettow-Vorbecks Einsätze in den Kolonien bescheinigte ihm
       Schulte-Varendorff, dass er nicht direkt, aber durch seine Befehle
       beteiligt gewesen sei. Wenn Dörfer niedergebrannt worden seien und das Vieh
       vertrieben worden sei, so habe es sich um Gefechtshandlungen gehandelt,
       sagte Patzki.
       
       „Es ist schwierig, im Urteilswege zu bestimmen, wie jemandem zu Gedenken
       ist“, sagte die Richterin. Das Urteil kann binnen einer Woche angefochten
       werden.
       
       18 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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