# taz.de -- Gezipark-Aktivist verurteilt: Prozesse gegen Proteste
       
       > Nach den Protesten im Gezi-Park ist nun erstmals ein Aktivist zu einer
       > Geldstrafe verurteilt worden. Gegen Hunderte weitere laufen Verfahren.
       
 (IMG) Bild: Harte Haltung: Im Sommer demonstrierten Tausende gegen die autoritäre AKP.
       
       ISTANBUL taz | Man kannte ihn als den Mann mit dem Megafon. Nahezu immer
       auf den Beinen, dirigierte Bimen Zartar während der Gezipark-Proteste im
       Sommer die Massen, sorgte mit für Ordnung im besetzten Park und war
       obendrein noch ansprechbar, wenn Journalisten wissen wollten, was als
       Nächstes passieren würde.
       
       Am Donnerstag stand Bimen Zartar nun vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, in
       einem Tweet Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan beleidigt zu haben. Offenbar
       wurde seine Handykommunikation überwacht, schließlich war Bimen einer
       derjenigen, die sich im Gezipark wochenlang und sichtbar engagiert hatten.
       
       Jetzt, fast sechs Monate später, macht die Protestbewegung Pause, und Bimen
       Zartar steht allein da. Nur zwei Freunde begleiteten ihn zum Prozess. Der
       Richter verurteilte ihn nach einem kurzen Prozess von gut 10 Minuten wegen
       Beleidigung zu einer Geldstrafe von 6.000 Lira, rund 2.500 Euro. Grund
       dafür war die SMS: „Der Motherfucker Tayyib schickt jetzt seine
       Wasserwerfer.“ Vergeblich hatte der Anwalt erklärt, es gebe viele Tayyibs.
       
       „Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun“, sagte Bimen Zartar anschließend.
       „Sie haben mich verurteilt, um mich für die Zukunft einzuschüchtern und
       weil ich Armenier bin.“ Er kündigte an, in Berufung zu gehen.
       
       ## Prozesswelle gegen Protestler
       
       Am meisten zu denken gegeben haben dürfte Bimen Zartar aber, dass er am
       Ende so allein dastand. Und er ist nicht der Einzige, dem es zurzeit so
       geht. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit rollt derzeit eine
       Prozesswelle gegen Hunderte von Gezipark-Protestlern an.
       
       Offiziell hat das Innenministerium kürzlich auf eine Parlamentarische
       Anfrage hin angegeben, es seien 255 Verfahren in Vorbereitung. Die Vorwürfe
       reichen von der Zerstörung öffentlichen Eigentums, Teilnahme an illegalen
       Demonstrationen bis hin zur Zerstörung eines Gebetsraums.
       
       Hinter dem letzten Vorwurf verbirgt sich die Beschuldigung, Demonstranten
       hätten auf der Flucht vor Tränengasgranaten eine Moschee entweiht, indem
       sie mit Schuhen und Bierflaschen in der Hand in das Gebäude eingedrungen
       seien. Die Anklage wurde erhoben, obwohl der zuständige Imam der Moschee,
       Fuat Yildirim, erklärte, dass diese Vorwürfe aus der Luft gegriffen sind.
       Als Folge davon wurde der Imam an eine Dorfmoschee im Nordwesten von
       Istanbul versetzt.
       
       „Man wird die Leute gnadenlos verfolgen. Ich befürchte eine Hexenjagd“,
       sagte vor wenigen Tagen der Anwalt Efkan Bolac, der an der Koordination der
       Verteidigung von Gezipark-Protestlern beteiligt ist. Laut Bolac sind viel
       mehr Leute betroffen, als Innenministerium und die
       Generalstaatsanwaltschaft behaupten. „Nach unseren Informationen“, sagte
       er, „werden insgesamt 610 Leute angeklagt.“ 31 Personen sitzen seit Mai
       oder Juni in Untersuchungshaft.
       
       „Darunter sind 15 bis 20 Leute, denen man sogar vorwirft, sie hätten
       versucht, die Regierung zu stürzen. Diese Ermittlungen werden geheim
       geführt, die Verteidiger bekommen keine Akteneinsicht.“ Anderen, wie den
       Mitgliedern des Fanklubs von Besiktas, Carci, wird vorgeworfen, eine
       „kriminelle Vereinigung“ gegründet zu haben. In diesen Verfahren,
       befürchtet Anwalt Efkan Bolac, ist mit langjährigen Haftstrafen zu rechnen.
       
       19 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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