# taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Die Blockflöte
       
       > Die Jugend von heute, sie will das Blockflötenspiel nicht mehr erlernen.
       > Dabei lehrt das Instrument junge Menschen weit mehr als bloße
       > Atemtechnik.
       
 (IMG) Bild: „Vom Himmel hoch...“ Weihnachtszeit ist Blockflötenzeit. Doch immer weniger Kinder wollen das Instrument erlernen.
       
       Mitten in die besinnliche Weihnachtszeit platzt die Nachricht herein, dass
       immer weniger Jungen und Mädchen Blockflöte lernen. Gab es 1995 noch etwa
       100.000 Blockflötenschüler und Blockflötenschülerinnen unter 18 Jahren,
       sind es jetzt nur noch halb so viele. Das ist sehr bedauerlich. Denn wer
       Blockflöte spielt, lernt viel fürs Leben. Ich weiß das, denn ich habe schon
       im Kindergartenalter damit angefangen.
       
       Ich habe gelernt, gute Mine zu bösem Spiel zu machen. Zusammen mit meinen
       zwei Schwestern nahm ich regelmäßig am „Wettbewerb der Jungen Talente“
       teil, den es in der DDR gab. Wer Blockflöte spielt, auch diese Erfahrung
       habe ich gemacht, bekommt eine Vorstellung von Gottesfürchtigkeit. Unsere
       Flötenlehrerin war Kantorin und so sollten wir einmal zu Weihnachten einen
       Kanon für den lieben Gott spielen. Die Dorfkirche war bis auf den letzten
       Platz besetzt und angesichts der vielen bekannten Gesichter und Mutti und
       Papi in der ersten Reihe bekamen wir kaum einen Ton heraus. Der liebe Gott
       wird sich etwas dabei gedacht haben.
       
       Die Blockflöte hat mich außerdem gelehrt, Dinge hinzunehmen, die nicht zu
       ändern sind. Jedes Jahr zu Weihnachten mussten sich meine Schwestern und
       ich zu Hause vor dem Tannenbaum zum musizieren aufstellen. Als wäre das
       nicht schlimm genug, fotografierte uns unser Vater dabei. So entstanden
       Jahr für Jahr die immer gleichen Bilder von Kindern mit Flöten im Gesicht,
       deren Mundwinkel so weit nach unten hingen wie die von Angela Merkel ohne
       Flöte.
       
       Die Flötenbranche sieht mehrere Gründe für den Rückgang des Instruments. In
       den 1970er Jahren, der Zeit, in der auch ich an die Blockflöte herangeführt
       wurde, waren Geigen und Gitarren für viele unerschwinglich. Diese Zeiten
       sind heute vorbei. Dennoch sei die Flöte für Anfänger „unübertroffen gut“,
       lässt die Branche verlauten. Weil man den Atem kontrollieren muss und
       Fingerfertigkeit lernt.
       
       Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass möglichst bald möglichst viele junge
       Menschen wieder Blockflöte lernen. Dazu müssen sie aber erst einmal lernen,
       dass eine Blockflöte ein Musikinstrument ist. Denn im Geschichtsunterricht
       wird derweil mitunter gelehrt, dass Blockflöten Mitglieder von
       Blockparteien in der DDR waren, die die Parolen der SED nachgeflötet haben.
       
       20 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Bollwahn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) DDR
 (DIR) Weihnachten
 (DIR) NSA-Skandal
 (DIR) Gentrifizierung
 (DIR) Plastiktüten
 (DIR) Sigmar Gabriel
 (DIR) 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Liebeserklärung: Der Vertreter
       
       Im NSA-Skandal haben die USA jetzt zur stärksten Waffe gegriffen, die sie
       haben: dem Handlungsreisenden. Das ist schön.
       
 (DIR) Kolumne Liebeserklärung: Die böse Gentrifizierung
       
       Die Stadtaufwerter der ersten Stunde bejammern den urbanen Ausverkauf. Das
       ist ganz schön geschichtsvergessen.
       
 (DIR) Kolumne Liebeserklärung: Die Plastiktüte
       
       Der EU-Umweltkommissar will die Tragetasche aus Kunststoff verbieten. Dabei
       ist sie der Inbegriff der Leichtigkeit des Seins.
       
 (DIR) Kolumne Liebeserklärung: Digitale Jammerlappen
       
       Sigmar Gabriel hat die Netz-Coolios verärgert. Jetzt ergießt sich ein
       Shitstorm über ihn. Dabei hat er doch nur ganz analog die Wahrheit gesagt.
       
 (DIR) Kolumne Liebeserklärung: Matthias Matussek
       
       Wo Zirkusgäule austraben dürfen: „Die Welt“ zeigt Mitgefühl und übernimmt
       ein weiteres Problempferd.