# taz.de -- Islam in Berlin: Angst vor Radikalisierung
       
       > Etwa 30 Berliner Jugendliche sollen zum Kämpfen nach Syrien gegangen
       > sein. Prävention und Hilfe für die Familien gebe es kaum, sagen Kritiker.
       
 (IMG) Bild: In Syrien sollen auch Berliner Jugendliche kämpfen
       
       BERLIN taz | Auf etwa 30 Jugendliche und junge Erwachsene schätzt die
       Extremismusexpertin Claudia Dantschke die Zahl derjenigen Berliner, die
       bisher nach Syrien ausgereist seien, um sich dort radikalen Islamisten
       anzuschließen. „15 allein in diesem Jahr“, so Dantschke, die in dem Projekt
       Hayat des Berliner Zentrums für demokratische Kultur Familien sich
       radikalisierender junger Muslime berät. Ihre Schätzung beruht auf dieser
       Arbeit und Verfassungsschutzbeobachtungen.
       
       Dabei handele es sich keineswegs nur um „ideologisch gefestigte
       Dschihadisten“, sondern auch um „verführte Jugendliche“, die im Internet,
       auf der Straße oder gar auf Schulhöfen angesprochen und nach und nach
       radikalisiert und dann rekrutiert würden, sagte Dantschke am Donnerstag auf
       einer Pressekonferenz der Neuköllner Vätergruppe des Psychologen Kazim
       Erdogan. Unter muslimischen Eltern mache sich zunehmend Angst vor diesem
       Phänomen breit, so Erdogan: „Die Familien brauchen Hilfe und Unterstützung
       dabei, damit umzugehen.“
       
       Hilflos sei meist die Reaktion der Eltern, wenn sich Söhne oder Töchter
       radikalisierten, und aus dieser Hilflosigkeit heraus dann autoritär. „Das
       verstärkt aber die Radikalisierungstendenzen dann oft eher noch“, sagte
       Dantschke. Anfällig für die Rekrutierungsversuche Radikaler seien dabei
       „kaum solche Jugendliche, die aus stabilen muslimischen Familien mit
       gefestigtem religiösen Wissen“ kämen, so die Expertin, sondern oft
       Konvertiten oder „Re-Islamisierte“, wie Dantschke sie nennt: etwa Kinder
       getrennter bikultureller Elternpaare, bei denen der muslimische Vater
       abwesend war. Oft sei der Hintergrund eine schwierige Familiensituation,
       gepaart mit dem Scheitern der Jugendlichen in Schule oder Ausbildung:
       „Versager“, denen die Rekrutierer einredeten, sie könnten Helden werden, so
       Erdogan – „und eine ähnliche Struktur, wie wir sie auch bei jungen
       Rechtsextremisten haben“, so Dantschke.
       
       Mit der Pressekonferenz wollen beide darauf aufmerksam machen, dass es an
       Prävention und Hilfe fehlt: nicht nur für betroffene oder besorgte
       Familien, sondern auch, um Jugendliche zu immunisieren gegen die
       Anwerbeversuche, die weniger über offizielle Moscheen als über Netzwerke
       wie Facebook und Youtube stattfänden. Dort wirbt etwa der ehemalige
       Berliner Rapper Deso Dogg unter seinem heutigen „Kampfnamen“ Abu Talha per
       Video direkt aus Syrien um Berliner Jugendliche.
       
       „Informationsveranstaltungen für Eltern“ plant Erdogan deshalb mit seiner
       Vätergruppe. Dantschke empfiehlt Schulen als „idealen Raum für Prävention“.
       Gerade dort liefen allerdings derzeit Finanzierungen für entsprechende
       Projekte aus Bundesmitteln aus.
       
       19 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Berlin
 (DIR) Radikalisierung
 (DIR) „Islamischer Staat“ (IS)
 (DIR) Islamismus
 (DIR) „Islamischer Staat“ (IS)
 (DIR) Hans-Georg Maaßen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) „Islamischer Staat“ und FBI: Heimliche Hochzeit in Syrien
       
       Der immer wieder totgesagte deutsche IS-Terrorist Deso Dogg hat 2014 in
       Syrien geheiratet. Und zwar eine Übersetzerin des FBI.
       
 (DIR) Arabistin über Islamismus: „Manchmal kommt mir die Wut“
       
       Claudia Dantschke berät Familien, deren Kinder sich radikalisieren. Vieles,
       was sie kann, hat sie in der türkischen Community gelernt.
       
 (DIR) Deutscher Islamist im engeren IS-Zirkel: Ex-Rapper rekrutiert Nachwuchs
       
       Der Berliner Denis Cuspert hat Karriere bei der Terrormiliz „Islamischer
       Staat“ gemacht. Das geht aus einem Bericht von Verfassungsschützern hervor.
       
 (DIR) Islamisten in Syrien: Heilige Kämpfer aus Deutschland
       
       Deutsche Islamisten beteiligen sich an den Kämpfen in Syrien. Einige sind
       inzwischen auch zurückgekehrt. Sie sind nun kampferprobt.