# taz.de -- SPD-Politiker über Rhön-Kliniken: „Politiker sollten in Aufsichtsräten sein“
       
       > Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD und früher
       > Aufsichtsratsmitglied bei den Rhön-Kliniken, über den aktuellen Skandal,
       > Lobbyisten und Mindestlohn.
       
 (IMG) Bild: Klinik in Bad Berka, in Thüringen, die zu den Rhön-Kliniken gehört.
       
       taz: Herr Lauterbach, jahrelang sollen Putzkräfte systematisch gemobbt und
       ausgebeutet worden sein bei den Rhön-Kliniken, einem der führenden privaten
       Krankenhaus-Konzerne Deutschlands. Die Staatanwaltschaft Würzburg hat jetzt
       einen früheren Rhön-Vorstand wegen Vorenthaltens von Mindestlöhnen
       angeklagt und ermittelt gegen Führungskräfte von Rhön-Reinigungstöchtern.
       Sie saßen von 2001 bis 2013 im Aufsichtsrat der Rhön AG. Warum haben Sie
       angesichts der Missstände nicht Alarm geschlagen? 
       
       Karl Lauterbach: Sollten sich die Vorwürfe gegen den Vorstand bestätigen,
       was ich nicht beurteilen kann, da die Aufklärung dieser Sache nach meinem
       Ausscheiden vor einem halben Jahr begann, wäre das ein handfester Skandal.
       Der Vorwurf lautet ja, dass der Mindestlohn ausgehebelt wurde bei
       gleichzeitigem Betrug an den Sozialversicherungskassen. Wenn das stimmt,
       muss der Vorstand, der dafür zuständig war, sehr hart bestraft werden.
       
       Sie sagen, der Vorstand müsste dann hart bestraft werden. Und der
       Aufsichtsrat? Wo war denn der? Der hat doch ganz offenbar versagt in seiner
       Kontrollfunktion. 
       
       Selbst wenn ich es wollte, wäre es mir rechtlich nicht erlaubt, dazu eine
       Aussage zu machen. Ein Aufsichtsrat darf auch nach seinem Ausscheiden nicht
       sagen was er wann und wie im Aufsichtsrat erfahren hat. Daran halte ich
       mich.
       
       Während Ihrer Zeit als Aufsichtsrat war Ihnen von diesen Missständen nichts
       bekannt und folglich konnten Sie auch nicht Alarm schlagen? 
       
       Ich hätte selbst dann nicht einmal Alarm schlagen dürfen, wenn ich etwas
       gewusst hätte. Ich hätte nicht einfach mal nach außen treten dürfen,
       sondern wir hätten dieses Problem in unserer Funktion als Aufsichtsrat nach
       innen lösen müssen.
       
       Was nutzt ein Aufsichtsrat, der strukturellen Problemen machtlos gegenüber
       steht? Es geht ja hier nicht um einzelne Putzkräfte, es geht um
       systematische Ausbeutung. 
       
       Es ist naiv zu glauben, ein Vorstand würde solche Dinge dem Aufsichtsrat
       berichten, es sagt doch kein Vorstand, ich beute hier systematisch
       Mitarbeiter aus und habe überdies eine Konstruktion gefunden, wie ich das
       Gesetz umgehen kann. Wenn überhaupt, würde man solche Vorwürfe von den
       Putzkräften hören, aber die sind im Aufsichtsrat nicht anwesend. Die
       Missstände müssen also in erster Linie den Betriebsräten und Gewerkschaften
       auffallen. Zumal die Putzkräfte geschickt in ein Tocherunternehmen
       verlagert worden waren für welches der Aufsichtsrat des Konzern gar nicht
       direkt zuständig war. Aber selbst wenn der Aufsichtsrat über diesen Weg
       davon erfahren würde und feststellte, dass die Konstruktion zwar eine
       Sauerei, aber rechtens wäre, könnte man sie dem Vorstand nicht verbieten.
       
       Das ist doch eine Bankrotterklärung. Wofür ist der Aufsichtsrat dann noch
       gut? 
       
       Der Aufsichtsrat hat, ganz klar, eine Aufsichtsfunktion. Aber wenn der
       Vorstand seinen Empfehlungen nicht folgt, dann kann der Aufsichtsrat nicht
       beschließen, die Dinge dann eben selbst zu tun. Er kann Druck auf den
       Vorstand ausüben, aber er kann nicht die Vorstandsgeschäfte übernehmen. Im
       Extremfall muss er Vorstände abberufen.
       
       Was unterscheidet einen Aufsichtsrat von einem Lobbyisten? 
       
       Ein Lobbyist ist jemand, der ausschließlich darauf aus ist, die Interessen
       einer speziellen Seite durchzusetzen, etwa der Aktionäre. Der Aufsichtsrat
       ist dagegen für das gesamte Wohl des Unternehmens zuständig, somit auch für
       das der Beschäftigten und der Patienten. Er ist nicht einzig dem
       Shareholder-Value verpflichtet.
       
       Was können Sie jetzt beitragen zur Aufklärung? 
       
       Nicht so viel fürchte ich. Aus dem Unternehmen bekomme ich natürlich keine
       Information mehr. Meine Aufgabe liegt darin, dass ich im Fraktionsvorstand
       der SPD mit daran arbeite, dass der Mindestlohn in einer wasserdichten Form
       eingeführt wird. Die Vorgänge zeigen auf jeden Fall wie richtig unsere
       Beschlüsse zum Arbeitsmarkt im Koalitionsvertrag sind, weil sie würden
       Tricks dieser Art vermeiden helfen.
       
       Die Doppelrolle, die Sie jahrelang inne hatten - prominenter
       SPD-Gesundheitspolitiker einerseits, Aufsichtsratsmitglied der
       Rhön-Kliniken andererseits - birgt zwangsläufig Loyalitäts- und
       Interessenskonflikte. War es rückblickend ein Fehler, dass Sie den
       Aufsichtsrat erst im Sommer 2013 verlassen haben? 
       
       Ein Fehler war es nicht und ich glaube gerade im Bereich der
       Qualitätssicherung dem Unternehmen und den Patienten gute Dienste getan zu
       haben. Die Entscheidung des Ausscheidens war aber trotzdem richtig. Vorher
       habe ich immer meine politische Überzeugung von der Rolle des Aufsichtsrats
       zu 100 Prozent getrennt.
       
       Wie geht das? 
       
       Man muss sich darüber bewusst sein, dass es durch solche Doppelrollen
       natürlich zu Interessenkonflikten kommen kann. Und dann muss man sich
       fragen, ob man in einem solchen Interessenskonflikt die Seiten trennen kann
       oder nicht. Ich habe das gemacht indem ich nichts verschwiegen habe und
       meine Positionen immer verteidigt habe. In meiner politischen Arbeit habe
       ich immer die Dinge gefordert, die ich politisch für richtig halte, etwa
       die Bürgerversicherung, strenge Hygienevorschriften in Kliniken,
       Mindeststandards beim Personal. Und das war auch jedem in dem Unternehmen
       bekannt, in dem ich die Aufsichtsfunktion wahrgenommen habe. Jeder wusste,
       dass ich für Spielregeln einstand, die zumindest den Aktionären nicht
       gefallen haben.
       
       Aufsichtsräte der Rhön-Kliniken erhalten 50.000 bis 60.000 Euro für ihre
       Tätigkeit. Das macht doch auch abhängig. 
       
       Wieso sollte man nicht die Spielregeln in einem System verändern wollen?
       Ich finde, dass es sehr wohl möglich ist, Aufsichtsfunktionen in einem
       Unternehmen wahrzunehmen im Rahmen einer bestehenden Gesetzgebung, und
       gleichzeitig die Gesetzgebung verändern zu wollen. Alles andere würde ja
       bedeuten, dass Politiker grundsätzlich nicht mehr in Aufsichtsräten, auch
       von kommunalen Unternehmen z.B., sein könnten. Das hielte ich für falsch.
       
       Warum? 
       
       Weil es bedeuten würde, dass Politiker den Maschinenraum von
       Großunternehmen nie betreten würden. Es würde die manchmal beobachtete
       Praxisferne in der Politik verstärken. Es sollte zumindest ein Minimum von
       Politikern mit entsprechender fachlicher Eignung auch in Aufsichtsräten
       sein.
       
       Naja, und die jetzige Praxisnähe führt dazu, dass in der Zeitung steht,
       dass ein prominenter SPD-Politiker und vehementer Verfechter des
       Mindestlohns jahrelang in einem Aufsichtsrat saß, dem offenbar nicht
       auffiel, dass der Vorstand arbeitsrechtliche Mindestlohnstandards
       unterschritt. Können Sie ausschließen, dass Sie weggeschaut haben? 
       
       Zunächst muss sich das Ganze ja noch bestätigen. Wegschauen schließe ich
       persönlich kategorisch aus. Und ich schließe ebenfalls kategorisch aus,
       dass ich jemals eine politische Entscheidung anders getroffen habe, weil
       ich in dem Aufsichtsrat war.
       
       21 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
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