# taz.de -- Nische Filmmusik: Die zweite Geige
       
       > In Europa gibt es nur eine Fachzeitschrift für Filmmusik. Die Redaktion
       > beliefert 700 Abonnenten und hat ihren Sitz in Bremen.
       
 (IMG) Bild: Blickt auf eine wachsende und zugleich treue Leserschaft: Cinema Musica-Chefredakteur David Serong.
       
       BREMEN taz | Fünfzig Prozent der Wirkung eines Films machen die Musik und
       das Sounddesign aus. Das meint zumindest Regisseur Steven Spielberg, und
       der weiß, wovon er redet. Zugleich gibt es das oft verwendete Bonmot, die
       beste Filmmusik sei jene, die man nicht hört. Zu Spielbergs
       Fünfzig-Prozent-Theorie steht das nicht in Widerspruch: Sounds und Musik
       sind dem Zuschauer tatsächlich oft nicht bewusst und deshalb beeinflussen
       sie ihn um so intensiver.
       
       Die Musik spielt im Kino also mehr als nur die zweite Geige und so ist es
       nicht überraschend, wenn es neben all den Filmzeitschriften, von denen
       viele auf spezielle Genres spezialisiert sind, auch ein Magazin für
       Filmmusik gibt. Bemerkenswert ist, dass es die einzige Zeitschrift dieser
       Art in Europa ist, und dass sie von einer kleinen Gruppe von
       Filmmusik-Enthusiasten in Bremen herausgegeben wird.
       
       Cinema Musica ist ein Hochglanzmagazin mit gut 80 Seiten, kostet 7,50 Euro
       und erscheint vierteljährlich. Vor knapp neun Jahren wurde sein Vorläufer,
       das in der Schweiz produzierte Film Music Journal eingestellt. Der in
       Bremen lebende Mike Beilfuß hatte für diese sehr branchenspezifische
       Zeitschrift geschrieben und entschied sich, ihre Tradition mit einem
       anderen Konzept und Namen weiterzuführen.
       
       Das Fundament dafür bildete der Abonnentenstamm von etwa 300 Lesern, von
       denen die meisten im Metier arbeiteten. Die erste Ausgabe war noch in
       Schwarzweiß und mit Klammerbindung, doch von Anfang an gab es den Anspruch,
       für ein größeres Zielpublikum zu schreiben. Auch an der Filmmusik
       interessierte Konsumenten sollte Cinema Musica erreichen und so entwickelte
       sich eine Mischung aus Artikeln, die sehr spezielle Aspekte der Filmmusik
       behandeln und nur für Fachleute verständlich sind und leichter zugänglichen
       Texten, in denen immer mal wieder Grundsätzliches erklärt und beschrieben
       wird.
       
       Dementsprechend gibt es in der neuesten, 33. Ausgabe einen Text mit dem
       Titel „Wie funktioniert Filmmusik?“, auf den die dritte Folge der Serie
       „Kompositionstechniken in der Filmmusik“ mit vielen Notenbeispielen folgt.
       Dieses Konzept ist offensichtlich erfolgreich: der Abonnentenstamm ist auf
       über 700 gewachsen und nach der Aussage des jetzigen Chefredakteurs David
       Serong ist die Leserschaft ausgesprochen treu.
       
       In jeder Ausgabe wird ein möglichst berühmter Filmmusik-Komponist
       vorgestellt und deshalb sind die Coverboys der Zeitschrift meist gesetzte
       ältere Herren, von denen kaum ein Leser bisher wusste, wie sie aussehen.
       Howard Shore, Hans Zimmer, Danny Elfman und Alberto Iglesias schauen meist
       möglichst künstlerisch in die Kamera, Randy Newman kennt man immerhin auch
       als Sänger und Performer und Lalo Schifrin steht als „King of Cool“
       betitelt mit dem Taktstock in der Hand vor einer mit Graffiti besprühten
       Wand. Maurice Jarre starb kurz bevor die Ausgabe mit seinem langen und wohl
       auch letzten Interview herauskam.
       
       Die meisten Meister des Metiers waren schon im Heft, es fehlen noch Ennio
       Morricone und John Willams, der nicht gerne fliegt und deshalb nicht nach
       Europa reist. Denn meistens treffen die Schreiber des Magazins die
       Filmmusiker bei Festivals. So wird in der nächsten Ausgabe der schweizer
       Filmkomponist Niki Reiser („Jenseits der Stille“, „Maria, ihm schmeckt’s
       nicht“) vorgestellt, für den im November das Filmfest Braunschweig eine
       Hommage ausrichtete.
       
       Etwa 20 Autoren schreiben für Cinema Musica, darunter einige Musik- und
       Filmwissenschaftler, aber keine Komponisten, weil diesen der nötige Abstand
       zu ihren Kollegen fehlt. Das Themenspektrum der Texte ist nicht auf den
       Kinofilm begrenzt. Behandelt werden auch Musiken für Computerspiele,
       Hörspiele, das Fernsehen und Jingles.
       
       Ein wenig zu kurz kommt jene Art von Filmmusik, die nicht extra für eine
       Produktion komponiert, sondern oft vom Regisseur selbst „gefunden“ wird.
       Die Reihe der Filmemacher, die ein genaues Gespür für die Wirkung von Musik
       in ihren Werken haben, reicht von Stanley Kubrick über Martin Scorsese bis
       zu Quentin Tarantino. Speziell mit letzterem würde Chefredakteur David
       Serong gerne ein Interview führen, aber Regisseure sind für ein kleines
       Fachmagazin viel schwerer zugänglich als Komponisten.
       
       Fast ein Drittel des Magazins ist Rezensionen von CDs mit Filmmusiken
       vorbehalten – es gibt über 30 Rezensionen pro Ausgabe. Auch sonst hat
       Cinema Musica altbewährte Rubriken von erfolgreichen Vorbildern übernommen.
       So gibt es einen möglichst launig von einem Prominenten ausgefüllten
       Fragebogen auf der letzten Seite, einen Festival- und Konzertführer und
       sogar einen Comic mit dem Titel „Scherzo“, dessen Witz sich allerdings nur
       den Eingeweihten erschließen dürfte.
       
       Merkwürdig ist es auch, wenn der 1965 geborenen Matthias Büdinger als
       Zeitzeuge unter dem Titel „Ich habe es erlebt“ die „Chronik eines
       Filmmusikjahrhunderts“ schreibt, in der Sätze stehen wie: „Nachmittags lief
       übrigens Telly Savalas in der Lobby herum, was aber nun gar nichts mit
       unserer Konferenz zu tun hatte.“
       
       Interessant ist dagegen die Spalte mit dem treffenden Titel
       „Zukunftsmusik“, in der die Produktionen aufgeführt werden, an denen über
       hundert internationale Filmmusiker gerade arbeiten. Und es gibt eine
       inzwischen schon elfteilige Serie, in der Stephan Eicke anhand von vielen
       Beispielen eine der Besonderheiten des Metiers analysiert: Abgelehnte
       Filmmusiken gibt es auch von den erfolgreichsten Komponisten wie Bernhard
       Hermann, Michael Nyman oder Maurice Jarre. Hier zeigt sich, dass die
       Filmmusiker dann doch in der Hierarchie der Filmwerke weit unten stehen und
       dass die Produzenten oft, wenn ein Film nicht funktioniert und es zu spät
       für Nachdrehs und Schnittänderungen ist, zumindest die Musik austauschen –
       und dann auf das Beste hoffen.
       
       1 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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