# taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: Die Zeit, dein Feind
       
       > Müdes Erstaunen sowie Überdruss am Reisen und am menschlichen Dasein: Der
       > Jetlag nach 22 Stunden Flug hat es in sich.
       
 (IMG) Bild: Nervende Zeitverschiebung.
       
       Die Farben dumpf, die Augen stumpf, und in den Ohren scheinen Wattepfropfen
       zu sitzen. Ein grauer Schleier liegt über den Eukalyptusbäumen, und die
       Minuten ziehen sich wie durchgewalkter Bubblegum: Der Jetlag hat dich
       wieder – neben Flugzeugpasta und suizidalen Busfahrern eine der
       unvermeidlichen Kümmernisse von Fernreisen.
       
       Es ist 18 Uhr im unwirklichen Perth, Westaustralien, und 11 Uhr mittags in
       der europäischen Wirklichkeit. Bis vor 22 Stunden hast du ihr noch
       angehört, und innere und äußere Uhr gingen synchron. Die letzte Nacht war
       sehr kurz, und du könntest jetzt ins Bett fallen wie ein Fels. Doch je
       später, desto besser, desto eher findest du dich in den neuen
       Lebensrhythmus ein.
       
       Eine neue Stadt – welch eine Verschwendung an Gerüchen, Bildern und Tönen
       für den Jetlag-Geplagten! Wo die Neugier auflodern müsste, herrscht müdes
       Erstaunen: Die am schnellsten wachsende Stadt des Kontinents? Ach ja?
       Frische Austern, ein wunderbares Steak? Na und? Eine mondän glitzernde
       Skyline über dem schwarzen Swan River? Aha.
       
       Trübe irrst du durch nichts sagende Kulissen. Wo das Hirn sonst zuverlässig
       schaltet, sitzt heute eine schwammige Vertretung. Eine Grundtrauer hat dich
       erfasst: Überdruss an Perth, am Reisen, am menschlichen Dasein. All die
       fröhlichen After-work-Trinker in den übervollen Bars – stehen sie nicht
       herum wie menschliches Mobiliar in einem Nachtstück von Edward Hopper?
       
       Die kommende Nacht grinst hässlich herüber: Wann wirst du aufwachen? Um
       drei – und das Gehirn martert sich, versucht Trick um Trick, um
       wegzudämmern, und weiß doch genau: Nichts geht mehr. Hellwach. Keine Gnade.
       Spätestens am frühen Nachmittag werden deine Lider zu flattern beginnen wie
       die Lamellen der eingeschalteten Klimaanlage jetzt.
       
       Vielleicht aber hast du ja diesmal Glück: Du schlägst die Augen auf. Hinter
       der braunen Gardine zeichnet sich schon etwas Helleres ab als ganz frühe
       Morgendämmerung, leise braust der Lärm des Verkehrs: Ist es etwa schon 6?
       Fantastisch, Perth! Australien, wir kommen!
       
       4 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
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