# taz.de -- Plädoyer gegen die Vollkaskomentalität: Volle Kanne Leben
       
       > Was hindert uns eigentlich daran, uns zu emanzipieren? Als Gesellschaft.
       > Anderen gegenüber. Fehlender Mut und die Sehnsucht nach Verlässlichkeit.
       
 (IMG) Bild: Morgen kündige ich und sage meinen Eltern, dass sie mich mal können!
       
       Dieser Job kotzt mich an. Der Typ lähmt mich. Und wann hört meine Mutter
       endlich auf, in meinem Leben zu kramen? Morgen kündige ich, verlasse die
       Beziehung und sage meinen Eltern, dass sie mich mal können!
       
       Und am Morgen?
       
       Machen wir es genau so. Bestenfalls. Wenn wir uns ganz, ganz sicher sind,
       wenn wirklich nichts anderes mehr geht. Wie oft aber schrecken wir zurück
       vor dem letzten, dem ultimativen Schritt. Warum eigentlich? Was hindert uns
       daran, uns zu emanzipieren? Als Gesellschaft. Anderen gegenüber. Von uns
       selbst.
       
       Wir debattieren über die doppelte Staatsbürgerschaft – anstatt sie einfach
       zu beschließen. Wir wollen gleichberechtigte Frauen und Männer – und führen
       eine „Herdprämie“ ein. Wir streben danach, ein ökologisches Land zu sein –
       und vergessen das, wenn die Unternehmen ökonomisch argumentieren.
       
       In solchen Momenten sind wir kleinbürgerlich, ambivalent und
       rückwärtsgewandt. Das können wir uns selbst nicht einmal vorwerfen. Denn
       wir folgen gesellschaftlichen Konventionen, sozialen Normen und religiösen
       Riten, die uns zu guten, aufgeklärten, friedlichen Menschen machen. Die
       Regeln sortieren unser Leben und ermahnen uns täglich an unser Verhalten.
       Die Regeln machen uns meistens froh. Genauso oft aber auch nicht.
       
       ## Ohne Sicherheiten ist unser Leben nichts
       
       Warum sagen wir dann nicht einfach: Weg damit und her mit neuen Ideen, her
       mit Visionen?
       
       Weil uns dazu der Mut fehlt. Wir scheuen davor zurück, ein Terrain zu
       betreten, von dem wir nicht aus zig Studien genau wissen, wie das aussieht.
       Wir wollen planen und alles unter Kontrolle haben. Wir leben mit einer uns
       beruhigenden Vollkaskomentalität – denn ohne Sicherheiten ist unser Leben
       nichts. Wir haben Angst davor, Fehler zu machen. Wir könnten andere
       enttäuschen.
       
       Mut haben wir nicht gelernt. Nein, das ist nicht ganz korrekt: Wir haben
       ihn verlernt. Als Kinder waren wir nämlich noch mutig. Kinder machen das,
       worauf sie Lust haben. Kinder denken nicht an die Konsequenzen ihres Tuns,
       sie folgen ihren Instinkten.
       
       Doch das ändert sich, wenn wir Teenager werden. Die meisten Jugendlichen
       tun genau das Gegenteil von dem, was ihre Eltern und Lehrer von ihnen
       erwarten. Dabei treibt sie zwar immer noch ein großes Stück Urgewalt, der
       Drang, sich abzugrenzen. Die Sehnsucht nach volle Kanne Leben.
       
       Aber dann? Mahnungen und Erwartungen: Schulabschluss, Studium,
       Lebensversicherung, Rente. Zugegeben, so ganz ohne Stützen geht es nicht,
       nicht ohne Liebe, Freunde, Geld, einen Plan. Berechenbarkeit schadet nicht
       in jedem Fall.
       
       Aber wie rasch werden daraus Starre, Engstirnigkeit, Unfreiheit.
       
       ## Glücklich sind diejenigen, die etwas wagen
       
       Glücksforscher haben unlängst herausgefunden, dass diejenigen am
       glücklichsten sind, die etwas wagen. Auch wenn sie nicht wissen, ob das
       klappt oder schiefgeht.
       
       Diejenigen, die wieder aufstehen, wenn sie dabei gestürzt sind. Und
       diejenigen, die das als Gewinn ansehen und nicht als Scheitern.
       
       Das ist ein großes Abenteuer.
       
       Das ist Emanzipation.
       
       6 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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