# taz.de -- Die Wahrheit: Tätärätä am Satiretag
       
       > Tagebuch einer Zapperin: Zwischen den Jahren ist es vernünftiger, die
       > Steuerunterlagen zu sortieren, als auf der Suche nach Humor im Fernsehen
       > nicht fündig zu werden.
       
 (IMG) Bild: Höher, schneller, hoch auf den Chefsessel? Karrierestreben und Glück gehen nur selten Hand in Hand, findet Hartmut Lühr.
       
       Für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nimmt sich der Mensch
       gewöhnlich alle möglichen Dinge vor, die unbedingt erledigt werden müssen.
       Steuerunterlagen sortieren, endlich die gehorteten Zeitungsartikel lesen,
       Hand- und Mantelttaschen entmüllen. Und was tut man stattdessen? Man lenkt
       sich nach Kräften ab. Zum Beispiel mit sinnlosem Zappen durch die
       Fernsehkanäle.
       
       Unvorsichtigerweise verweilt man an einer Stelle länger und findet sich
       plötzlich mitten im 3sat-Satirefestival-Thementag. Offenbar ein
       Jahresrückblick, in dem einen ganzen Sendetag lang Menschen in merkwürdig
       unerwachsener Kleidung mit langen Schritten über die Bühne eines gut
       gefüllten Veranstaltungssaals stelzen und Sätze voll ungeheurer Sprengkraft
       ins ordentlich angezogene und gescheitelte Publikum schleudern. „Je voller
       der Brüderle wurde, desto leerer wurde die FDP!“
       
       Ho-hoo, da lacht der Satirefreund! Allerdings mit etwas Verspätung, denn im
       Saal dauert es, bis der Witz von der Rampe in die vorderen Reihen gekullert
       ist. Der hart arbeitende Alleinunterhalter auf der Bühne, der sich
       unbarmherziger Politikerschelte verschrieben hat, räumt unbeirrt weiter auf
       im Skandalsumpf. „’Berliner Flughafen teileröffnet‘. Und was heißt das
       jetzt? Unser Gepäck fliegt in Urlaub, und wir bleiben hier?“ Das Publikum
       bedankt sich artig mit Gelächter. „Ja wo simmer denn?“, setzt er, derart
       angefeuert, noch einen drauf. In der Humorhölle. Ganz ohne Zweifel.
       
       „Die Demokratie wird an internationale Konzerne verhökert!“ Potzblitz! „Wir
       haben die Wahl zwischen 1.000 TV Programmen, und man möchte vor jedem
       einzelnen kotzen!“ Ja, und besonders bei einem wie diesem, das den
       knallharten James-Bond-Titel „Alles ist nie genug“ trägt. The world is not
       enough, und in der Welt der 3sat-Satire wird jetzt zum endgültigen Schlag
       ausgeholt: „Man hat keine Erwartung mehr an diese Bundesregierung, und
       selbst das können sie nicht erfüllen!“ Tätärätäääää … welch ein Finale!
       
       Kaum hat man sich erholt, stapft nach dem deutschen Satire-Bond ein Mann
       mit wild abstehendem Haar in kanarienbuntem Hemd über die Bühne. Müssen
       Satiriker so aussehen?
       
       Meine große Liebe Kurt Tucholsky war ein kleiner dicklicher Mann in Anzug
       und Krawatte, der beißende Texte schrieb und die Frauen liebte. „Nun sitzt
       zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen,
       sondern in Ständen, in Korporationen zu denken“, schrieb er. „Warum sind
       unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so
       mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das
       ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.“ Das war 1919
       (!) im Berliner Tageblatt. „Was darf die Satire?“, fragte er und antwortete
       selbst: „Alles.“ Und nicht bloß ein bisschen Gerempel gegen die Politik und
       ihre führenden Vertreter sowie Einverständnisheischerei mit dem Publikum
       
       Liebes Universum, mach, dass es Witz und Chuzpe regnet, bis wir und unsere
       Fernsehanstalten unter Wasser stehen!
       
       8 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Satire
 (DIR) Philip Seymour Hoffman
 (DIR) Düsseldorf
 (DIR) Film
 (DIR) DHL
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Internationaler Tag des Glücks: „Beruflicher Erfolg ist ein Fetisch“
       
       Heute ist Internationaler Tag des Glücks. Hartmut Lühr von der satirischen
       Initiative „wir sind wichtig“ findet, dass uns das Streben nach Karriere
       ins Unglück stürzt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Berliner Freundlichkeiten
       
       Tagebuch einer Vorsichhinmurmlerin: In der als unfreundlich verrufenen
       Hauptstadt geht es höflicher zu, als man denkt. Zumindest während der
       Berlinale.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Tod eines Schauspielers
       
       Tagebuch einer Erschütterten: Philip Seymour Hoffman hat uns mit seiner
       Kunst den Widerstand gegen die Angst vor der Selbsterforschung verlieren
       lassen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Ironie an Düsseldorf verplempern
       
       Tagebuch einer Matjesesserin: Am Marktstand offenbart sich der tiefere
       Zusammenhang zwischen der Lieblingsstrumpfhose und dem holländischen
       Roermond.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Vernichtete Vorsätze
       
       Tagebuch einer Weihnachtsreisenden: Bevor es zum Fest nach Brüssel geht,
       ereignet sich ein sprachlicher Unfall im Kopierwerk.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Das fast perfekte Thanksgiving
       
       Die Tücken eines Festtages und an was unbedingt noch bei einem zünftigen
       amerikanischen Erntedank gedacht werden muss.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Paketboten des Grauens
       
       Tagebuch einer Bestellerin: Was man so erleben kann, wenn ein Paket im
       DHL-Shop sehnsüchtig auf einen wartet.