# taz.de -- Urteil zum London-Riot von 2011: Er war kein schlechter Mensch
       
       > Die Erschießung von Mark Duggan löste in London 2011 schwere Unruhen aus.
       > Sie war rechtens, urteilt ein Gericht. Anwohner sind empört.
       
 (IMG) Bild: Die Familie des erschossenen Mark Duggan nach dem Urteilsspruch, in der Mitte die Mutter.
       
       LONDON taz | Der Wohnkomplex Broadwater Farm im Nordlondoner Stadtteil
       Tottenham besteht aus unschönen Betonfertigbauten aus den späten 60er
       Jahren, von deren Fassaden die Farbe bröckelt. In einer dieser tristen
       Wohnungen lebte einst Mark Duggan, ein Vater von sechs Kindern.
       
       Am 4. August 2011 wurde er im Alter von 29 Jahren von der Polizei auf der
       Straße erschossen und sein Tod löste die schwersten Unruhen in London seit
       30 Jahren aus. Nun hat ein Geschworenengericht geurteilt: Die Tötung war
       rechtens.
       
       „Ich bin zu wütend, um etwas dazu zu sagen“, sagt ein Mann hinter der Theke
       eines kleinen Ladens. Eine 70-jährige Frau mit karibischem Akzent an der
       Bushaltestelle ist weniger verhalten. „Das ist schrecklich!“, ruft sie
       laut. „Wenn er etwas getan hat, dann hätten sie ihn höchstens anschießen
       sollen.“
       
       Mark Duggan wurde von einem Sondereinsatzkommando getötet, nachdem er laut
       Aussagen der Polizei eine Pistole gezückt hatte. Ein Taxi, in dem sich
       Duggan befand, war auf offener Straße durch drei Einsatzfahrzeuge zum
       Stillstand gebracht worden. Als Duggan ausstieg, trafen ihn zwei Kugeln.
       Der schießende Beamte gab später an, er hätte deutlich eine Waffe in
       Duggans Hand gesehen und sich bedroht gefühlt.
       
       ## Polizisten als Verbrecher bezeichnet
       
       Doch kein anderer Zeuge bestätige, dass Duggan eine Schusswaffe in seiner
       Hand hatte oder überhaupt mit sich führte. Eine Waffe wurde nur sechs Meter
       entfernt gefunden, und auf ihr fehlte Duggans DNA.
       
       Am Mittwoch nun urteilten die Geschworenen, dass Duggan wahrscheinlich eine
       Waffe mit sich im Taxi trug, jedoch nicht im Moment seiner Erschießung. Er
       habe sie wohl vorher weggeworfen. Die Tötung sei situationsgemäß
       gerechtfertigt.
       
       Duggans Familie gab noch am Abend bekannt, dass für sie der Fall nicht
       beendet sei und sie weitere gerichtliche Schritte vornehmen würde. Für sie
       und für viele Anwohner ist klar: Duggan war kein schlechter Mensch. Die
       Verbrecher seien die Polizisten.
       
       Die Anwohner zeichnen aber kein Schwarz-Weiß-Bild. Eine 25-jährige
       Lehrkraft an einer Schule, die nicht namentlich genannt werden will, sagt,
       sie sei froh über die Polizeipräsenz. „Einst wurde mein Bruder hier von
       einer Gang angeschossen“, berichtet sie. Trotzdem findet sie, dass die
       Erschießung Duggans zu weit ging. Man sollte Drogen legalisieren, um den
       Gangs das Handwerk zu legen, so ihre Analyse.
       
       ## „Die Polizisten haben den Falschen erwischt“
       
       Duggan war ein Familienvater, ergänzt ein 20-jähriger junger Mann, der sich
       als „Black British“ beschreibt. „Ich habe schon mal auf seine Kinder
       aufgepasst“, erzählt er. „Die Polizisten haben total den Falschen erwischt.
       Und ihn ohne eine Waffe zu erschießen, ist einfach falsch!“ Die Beziehungen
       zwischen Polizei und Bevölkerung hier hätten sich aber seit den Aufständen
       verbessert.
       
       Früher wurde er immer wieder angehalten und kontrolliert, berichtet der
       junge Mann. Aber vor drei Monaten klingelten Beamte an seiner Tür und
       fragten höflich nach seinen Wünschen an die Polizei. „Doch dieses Urteil
       hat die Annäherung wieder zurückgeworfen“, fürchtet er.
       
       Der 46-jährige Donald Zola, der vor über 20 Jahren aus dem Kongo
       hierherzog, findet, dass die Gegend eigentlich gar nicht schlimm sei. Aber
       Broadwater sei eben ein Wohnkomplex mit unüblich vielen schwarzen Menschen.
       Der Rassismus in der Polizei, das sagen hier mehrere, sei das größte
       Problem.
       
       Nun muss die Polizei selbst die Wogen glätten. Londons Polizeichef hat
       angekündigt, er wolle sich in Tottenham mit Gemeindevertretern treffen.
       Außerdem werde man einen Versuch starten, dass bewaffnete Beamte am Körper
       Kameras tragen.
       
       9 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
       
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