# taz.de -- Abrechnung mit der eigenen Partei: Berliner Spitzen-Piratin meutert
       
       > Cornelia Ottos Bilanz nach drei Jahren harter Arbeit für die Piraten: Sie
       > ist ausgelaugt, hat nichts erreicht und konnte sogar ihre Miete nicht
       > mehr zahlen.
       
 (IMG) Bild: Cornelia Otto findet, ihre Partei solle keine „psychosoziale Selbsthilfegruppe“ sein.
       
       BERLIN taz | Cornelia Otto war die Spitzenkandidatin der Berliner Piraten
       für die Bundestagswahl – jetzt rechnet sie mit ihrer Partei ab. „Ich halte
       die zunehmende Kluft zwischen dem, was wir propagieren und dem, wie wir uns
       verhalten, nicht mehr aus“, [1][schreibt sie in ihrem Blog]. „Es war schwer
       genug, diese kognitive Dissonanz, diese Kluft im Wahlkampf aktiv zu
       überbrücken.“ Von ihren Parteikollegen fordert sie: „Wir müssen unsere
       Versprechen endlich halten.“
       
       Einer der Gründe für Ottos Unzufriedenheit: „Wir fordern Mitbestimmung für
       alle – blockieren alle parteiinternen Lösungen, die diese ermöglichen
       würden.“ Die im Jahr 2006 gegründete Partei hatte es nach jahrelanger
       Diskussion erst im Mai 2013 geschafft, auf einem Bundesparteitag ein
       [2][Verfahren für parteiinterne Online-Abstimmungen] zu beschließen. Damit
       könnte die Partei theoretisch ihre Mitglieder über politische Positionen
       abstimmen lassen. Das Verfahren ist in der Praxis allerdings so
       kompliziert, dass es bisher noch kein einziges Mal angewendet wurde.
       
       „Wir müssen insgesamt politischer werden“, schreibt Otto. „Die aktuelle
       politische Situation könnte himmelschreiender nicht sein.“ Und es könne
       doch nicht ernsthaft sein, schreibt Otto, dass die Basis sich auf einem
       Parteitag mit Satzungskram beschäftige, während die große Koalition die
       Vorratsdatenspeicherung beschließt.
       
       Otto schreibt, sie habe „drei Jahre vollen Einsatz gegeben an Kraft, Zeit,
       Energie und Geld, bis an die Grenzen und darüber hinaus.“ Ihre persönliche
       Bilanz ist allerdings verheerend: „Verzweifelt versuche ich einen
       Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass meine politische Arbeit wenigstens irgend
       einen Impact, irgend welche Spuren hinterlassen hat. Doch das einzige, was
       ich finde, ist ein Krater – in mir.“ Nun benötige sie eine Pause, um diesen
       Krater wieder zu füllen, „mit schönen Dingen und mit Sinn“. Die Partei mit
       ihrern Strukturen erweise sich „sich immer mehr als (selbst-)zerstörerisch
       und (selbst-)ausbeutend“.
       
       ## Keinen Urlaub machen können
       
       Auch finanziell hat sich Ottos Engagement nicht gelohnt: „Wir fordern
       Existenzsicherheit für alle – und verweigern sie unseren
       Verantwortungsträgern.“ Die Piraten hatten es auf einem Parteitag im
       November ausdrücklich abgelehnt, ihre Vorstandsmitglieder zu bezahlen. Nur
       wer von staatlicher Unterstützung abhängig ist, soll künftig Geld erhalten,
       um auf Hartz IV verzichten zu können.
       
       „Nach dem Wahlkampf habe ich leider keinen Urlaub machen können, sondern
       musste sofort beginnen, mir nen Job zu suchen und die Bachelorarbeit zu
       schreiben“, schreibt Otto. Sie habe zudem ihre privaten Ersparnisse
       aufgebraucht gehabt, so dass sie zeitweilig mit ihrem Mietanteil drei
       Monate im Rückstand war.
       
       Besonders die parteiinternen Streitereien haben Otto offenbar aufgerieben:
       „Wir fordern einen neuen Politikstil – und schaffen es nicht einmal,
       miteinander klarzukommen.“ Sie kritisiert jene Basismitglieder, die jedem
       Verantwortungsträger mit Misstrauen begegnen: „Manch einer sollte auch mal
       sein Verhältnis zu Macht überdenken. Wir sind eine Partei. Eine Partei
       kämpft darum, Macht und Einfluss zu gewinnen. Das ist der einzige und
       ausschließliche Zweck einer Partei.“ Viel zu oft würden Entscheidungen
       persönlich genommen „und enden in überschäumender Emotionalität“. Sie
       wünsche sich „mehr Respekt und Anstand und weniger Emotionales. Wir sind
       keine psychosoziale Selbsthilfegruppe.“
       
       Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2011 hatte die
       Piratenpartei 8,9 Prozent geholt. Bei der Bundestagswahl im vergangenen
       Jahr waren es nur noch 2,2 Prozent. Die Partei muss somit bangen, ob es ihr
       gelingt, im Mai bei der Europawahl die Drei-Prozent-Hürde zu knacken.
       
       Siehe auch 
       
       taz-Interview mit Cornelia Otto vor der Bundestagswahl: „[3][Werden gegen
       harte Wände rennen.]“
       
       Korrektur 
       
       In der zuerst veröffentlichten Version hieß es in der Unterzeile und im
       Artikel, Cornelia Otto könne derzeit ihre Miete nicht mehr zahlen. Das war
       falsch. Richtig ist: Cornelia Otto konnte nach dem Wahlkampf ihre Miete
       zunächst nicht mehr zahlen, [4][derzeit kann sie dies allerdings wieder].
       Ich bitte, den Fehler zu entschuldigen - Sebastian Heiser
       
       13 Jan 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.cornelia-otto.de/?p=500
 (DIR) [2] http://basisentscheid.piratenpartei.de/
 (DIR) [3] /!119558/
 (DIR) [4] http://twitter.com/Tikkachu/status/423070250494857218
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
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