# taz.de -- Kolumne Ausgehen und Rumstehen: Frieda besitzt übermenschliche Kräfte
       
       > Im Kühlschrank herrscht Leere, im Prassnik arktische Kälte. Zum Glück ist
       > der Schokoladen rot, warm und verraucht.
       
 (IMG) Bild: Im weiteren Verlauf des Wochenendes schob sich ein Baumwolltüchlein vor das Schamhaar-Gespräch.
       
       Das letzte Wochenende habe ich damit verbracht, tanzen gehen zu wollen. Hat
       nicht geklappt. Meine Tanzpartner haben sich nicht gemeldet, und mein
       Freund ist raus aus dem Rennen, der tanzt seit Monaten nur noch an der
       Decke. Er lernt für seine Prüfungen. Vor ein paar Tagen war ich mal an
       unserem Kühlschrank. Es war nichts drin. Nur ein bisschen Senf, ein paar
       Datteln und das Glas türkische Rosenmarmelade, das ich vor anderthalb
       Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. „Ich bin eine
       Scheißhausfrau, oder?“, hab ich zu Paul gesagt. Paul hat kurz von seinen
       Büchern aufgeschaut, mich über die dunklen Schatten seiner Augenränder
       hinweg angeguckt, müde gelächelt und gesagt: „Ja. Aber du hast andere
       Qualitäten.“
       
       Deshalb hab ich am Freitag Spinattaschen gemacht. Mit Feta und
       Pinienkernen. Gar nicht mal schlecht. Später sind wir auf einen Absacker in
       die Eiche geschliddert. Jörg hat erzählt, letzte Woche sei er zweimal fast
       gestorben. Einmal wegen Motorrad auf Glatteis und einmal wegen Bücherregal
       über Bett. Wenn das kein Grund zum Trinken ist.
       
       Der Samstag verlief ähnlich häuslich. Paul und ich sind im Stechschritt
       durch den Bürgerpark, weil er keine Zeit zum Spazieren hat. Und wegen
       Kälte.
       
       Abends im Prassnik war die Heizung kaputt. 17 Grad Celsius. Die erste halbe
       Stunde ist das kein Problem. Dann ziehen wir die Pullover wieder an, dann
       die Schals, dann legen wir uns die Mäntel über die Schultern, und zum
       Schluss sitzen alle dicht gedrängt um die alten DDR-Sprelacart-Tische herum
       und wärmen die klammen Finger am flackernden Licht der Kerzen. Erst reden
       wir über Kunst, dann über die Liebe, dann über Schambehaarung, zum Schluss
       über Pornos. Irgendwie muss man sich ja aufheizen.
       
       Als wir gegen halb vier auf die Torstraße stolpern, bin ich so
       durchgefroren, dass ich kaum die Taxitür aufbekomme.
       
       Am Sonntag waren Frieda und Isa da. Frieda hatte weder Mütze noch
       Handschuhe dabei und statt eines richtigen Schals nur so ein
       Baumwolltüchlein um den Hals. „Jetzt lasst mich in Ruhe, ich bin alt
       genug!“, hat sie gerufen. Wir sind dann noch einen Zahn schneller durch den
       Bürgerpark gestapft. Aber Frieda besitzt eh übermenschliche Kräfte. Ich
       habe mal gesehen, wie sie einen Hometrainer in den dritten Stock getragen
       hat. Ganz allein, ohne abzusetzen.
       
       Abends war ich bei der „Dichter als Goethe“- Geburtstagsgala. Schon sieben
       Jahre alt ist die Lesebühne mit dem schönsten Namen Berlins. Jubiläumsgast
       ist Rüdiger Bierhorst. „Ihr kennt ihn alle, klatscht trotzdem“, sagt Thilo
       Bock. Der Schokoladen ist rot, warm und verraucht. Es ist sehr familiär.
       Thilo liest einen Text über seine Berufung zum „Auskunftsberliner“. „Nicht
       jeder, der die Museumsinsel sucht, muss sie auch finden müssen“, sagt er.
       Manche Schülergruppen freuten sich mehr darüber, wenn man sie stattdessen
       zum nächsten Outlet-Store navigiert. Rüdiger Bierhorst singt Frühlings-,
       Winter- und Trinklieder: „Dies war kein Sonntag wie immer, diesmal war’s
       noch ’n bisschen schlimmer.“
       
       Ach, denke ich auf dem Weg nach Hause, so schlimm war’s eigentlich gar
       nicht. Trotz ohne Tanzen.
       
       28 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lea Streisand
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Beziehung
       
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