# taz.de -- Theater am Bauhaus Dessau: Gesucht wird der neue Mensch
       
       > Eine gelungene Ausstellung über die Bauhausbühne bezeugt in Dessau einmal
       > mehr die gute Arbeit des Leiters Philipp Oswalt. Trotzdem soll er gehen.
       
 (IMG) Bild: Abstrakte Figurinen: Ausschnitt aus einem Blatt von Xanti Schawinskys, Shakespeare Die beiden Veroneser, Räuberballett, 1925.
       
       Wenn dieser Tage das Stichwort Bauhaustheater fällt, denkt man wohl zuerst
       an das Schauspiel „Dorgerloh gegen Oswalt“. Es ist ein machtpolitisches
       Drama, bei dem ein sachsen-anhaltischer Kultusminister (Stephan Dorgerloh)
       versucht, den Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau (Philipp Oswalt) aus dem
       Amt zu werfen. Im ersten Akt ist das dem Minister mit Hilfe der ihm
       folgenden Vertreter der Stadt Dessau und dem Bund im Stiftungsrat auch
       gelungen.
       
       Die fünfjährige, Ende Februar auslaufende Amtszeit Oswalts wurde gegen alle
       Gepflogenheiten nicht verlängert und die Stelle neu ausgeschrieben. Der
       zweite Akt ist allerdings noch offen.
       
       Denn bis auf den politisch besetzten Stiftungsrat waren sich alle einig,
       dass Oswalt in Dessau einen guten Job gemacht hat: der wissenschaftliche
       Beirat der Stiftung Bauhaus, der aus Protest geschlossen zurücktrat, die
       Belegschaft, die sich für ihren Direktor verwendet und schließlich die
       publizistische Öffentlichkeit, die Oswalt bescheinigt, das Bauhaus in
       Dessau zu neuem Leben erweckt zu haben.
       
       Vielleicht bekommt die Handlung aber noch eine komische Wendung. Nämlich
       dann, wenn Oswalt sich selbst wieder bewerben sollte und mangels
       Alternative zurück ins Amt gewählt wird. Einen ähnlichen Fall gab es bei
       der Klassik Stiftung in Weimar in Person des Präsidenten Hellmut Th.
       Seemann. Ob Oswalt sich wieder bewirbt, darüber schweigt er sich aus. Die
       Bewerbungsfrist endet am 31.Januar.
       
       ## Experimentierfeld Bühne
       
       Derweil kann man sich am Dessauer Bauhaus mit älteren Darbietungen der
       Bauhausbühne beschäftigen. Die Ausstellung „mensch raum maschine“
       thematisiert Bühnenexperimente aus den 1920er Jahren. Zentrale Figur ist
       der Bauhausmeister Oskar Schlemmer, der die Bauhausbühne von 1923 bis 1929
       leitete und als Experimentierfeld ansah. Gegeben wurde der neue Mensch.
       
       Seltsamerweise gerieten Schlemmers Bühnenstücke dabei ziemlich abstrakt und
       mechanisch. In seinem „Triadischen Ballett“ ließ er die Spieler in
       grotesken Puppenkostümen auftreten, die den Bewegungsspielraum extrem
       einengen – mehr als Stehen, Gehen und die Arme heben war da kaum möglich.
       In Schlemmers „Stäbetanz“ hatten die schwarz vermummten Schauspieler
       überdimensionale Latten an den Gliedmaßen, die gleichsam abstrakte
       Konstellationen in den Raum zeichneten.
       
       ## Einheit von Kunst und Technik
       
       Von Dramatik im klassischen Sinne konnte auf der Bauhausbühne also keine
       Rede mehr sein. Vielmehr hat Schlemmer die Schemata der klassischen
       Proportionslehre aus seinem anatomischen Zeichenunterricht einfach mit
       einem Motto des Bauhausdirektors Walter Gropius gekreuzt: „Kunst und
       Technik – eine neue Einheit“. Ins Dreidimensionale weitergetrieben sieht
       das Ergebnis aus, als wäre das schematische Idealbild des Menschen auf eine
       präzise und ermüdungsfreie Maschine übergegangen.
       
       Nicht umsonst beginnt die Ausstellung mit einem „Prolog“ zur entfesselten
       Technik im Maschinenzeitalter, bestückt mit Schnipseln aus Filmen wie
       „Metropolis“ und der Fotocollage „Berlin“ von Bauhausmeister László
       Moholy-Nagy: Der Mensch taucht da bestenfalls nur noch als Teil der Masse
       auf.
       
       ## Vision „Totaltheater“
       
       Walter Gropius sollte 1926 selbst ein „Totaltheater“ entwerfen, auf dessen
       drehbarer Bühne nicht nur für die Massen gespielt, sondern auch mit der
       Masse hätte agiert werden können. Ein Modell dieses nicht realisierten
       Entwurfs steht in der Ausstellung, die im übrigen mit Skizzen, Filmen,
       Zeichnungen und Fotografien von über 70 Künstlern aufwartet. Neben
       historischen Beiträgen gibt es zeitgenössische Umsetzungen, die die Themen
       der Bauhausbühne neu interpretieren. Dazu gehören etwa auch
       Rekonstruktionen der Schlemmer’schen Figurinen von der Universität São
       Paulo.
       
       Dass sich der Gestaltungswillen des historischen Bauhauses auch auf die
       Bühne richtete, liegt an der Nähe der Bühne zum „Bau“, der das erklärte
       Ziel aller Tätigkeit am Bauhaus war. Die Bühne schien prädestiniert, den
       modernistischen Impetus, buchstäblich alles neu zu machen – „vom Teelöffel
       bis zur Stadtplanung“ –, schon mal in nuce vorwegzunehmen. Das hieß: zu
       experimentieren.
       
       Tatsächlich muten diese Versuche wie Grundlagenforschung an. Es wurde
       reduziert, isoliert und abstrahiert. Die völlige Abwesenheit von
       Wortkünstlern am Bauhaus, etwa Dramatikern, führte dazu, dass man sich auf
       bildnerische Elemente des Schauspiels wie Farbe oder Bewegung
       konzentrierte. Die Dessauer Ausstellung zeigt etwa einen Apparat für
       „Reflektorische Lichtspiele“, ein hölzerner Kasten mit verstellbarem
       Gestänge, der farbige Lichtformen projizieren konnte und wechselnde
       abstrakte Bilder erzeugte.
       
       Dass solche mehr forschenden Darbietungen beim Publikum ein Flop werden
       konnten, scheint Schlemmer wohl selbst geahnt haben: „Es ist nicht zuletzt
       die Frage, inwieweit der technische Aufwand dem erzielten Effekt
       entspricht, nämlich wie lange das rotierende, schwingende, sausende
       Spielwerk, einschließlich aller Variationen der Formen, der Farben und des
       Lichts, zu interessieren vermag.“ Ob solch abstrakte Bühnenspektakel, ohne
       sichtbare Menschen, ohne Worte und ohne Handlung heute noch etwas zu sagen
       haben, wird man demnächst in der Neuinterpretation der Bauhaustänze in
       Berlin und Dessau selbst beurteilen können.
       
       29 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Berg
       
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