# taz.de -- Eröffnungsfilm der Berlinale: Länder, die wie Wodkamarken klingen
       
       > Wes Andersons Tragikomödie „Grand Budapest Hotel“ karikiert den
       > untergegangenen Glanz des alten Europa. Und punktet mit skurrilen
       > Charakteren.
       
 (IMG) Bild: Im Fahrstuhl der Skurrilitäten: Paul Schlase, Tony Revolori, Tilda Swinton, Ralph Fiennes (v. l.).
       
       Es ist schön und vielleicht, wer weiß, ja auch ein gutes Omen, wenn einem
       zum Eröffnungsfilm einer Berlinale sofort das Wort „Glanz“ einfällt. Bei
       Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“, mit dem nun die 64. Berliner
       Filmfestspiele feierlich eröffnet wurden, ist das gleich doppelt der Fall.
       
       Zum einen erzählt der in einem fiktiven osteuropäischen Staat namens
       Zubrovka kurz vor dem Zweiten Weltkrieg angesiedelte Film vom
       untergegangenen Glanz des Alten Europa; solche Namenswitze wie diese
       Anspielung auf eine Wodkamarke beim Ländernamen gibt es übrigens unendlich
       viele. Zum anderen ist diese erzähltechnisch ausgefuchste Tragikomödie auch
       selbst glanzvoll: liebevolle Lakonik, puppenstubenartige Künstlichkeit,
       Schauwerte und ein schönes Spiel mit ernsten Gefühlen – alles, was man bei
       diesem Regisseur sucht, findet man hier.
       
       Zunächst allerdings kommt die Erzählmaschine nur langsam in Gang. Gleich
       drei Rahmenhandlungen hat Wes Anderson um das Geschehen herumgebaut. Es
       gibt einen jungen Schauspieler, der sich die Geschichte des Concierge
       Gustave H. (Ralph Fiennes), der ein berühmtes Gemälde zunächst auf nicht
       ganz astreine Art erbt und dann selbst darum betrogen wird, erzählen lässt.
       Es gibt denselben Schriftsteller 20 Jahre älter, der wiederum von den
       Umständen dieser Erzählung erzählt. Und dann gibt es noch eine junge
       Leserin, die in der Gegenwart das Buch liest, das der Schriftsteller daraus
       gemacht hat.
       
       Die Umständlichkeit menschlicher Umgangsformen und die Schwierigkeiten, in
       ihnen echte Gefühle auszudrücken, ist bei Anderson ja oft Thema. Was in
       seinem neuen Film in der Umständlichkeit der Exposition gedoppelt wird und
       dem Zuschauer wiederum Zeit lässt, zunächst all die skurrilen Details und
       Figuren wiederzuerkennen, die sich Anderson mit seinen früheren Filmen, wie
       „The Royal Tenenbaums“, „Die Tiefseetaucher“ und „Munrise Kingdom“,
       erarbeitet hat.
       
       ## Kulinarik fürs Auge
       
       Tilda Swinton spielt die 84-jährige Herzogin von Schloss Lutz, die von
       Concierge Gustave auch sexuell beglückt wird. Edward Norton, Willem Dafoe,
       Harvey Keitel, natürlich Bill Murray, Jude Law und noch viel mehr Stars
       treten in Nebenrollen auf. Und es versteht sich von selbst, dass die
       Zuckerbäckerschönheit eines solchen Vorkriegshotels nicht nur lustvoll
       karikiert, sondern auch akribisch rekonstruiert ist. Pagenuniformen,
       Abendgarderoben, alte Fahrstühle – dem Auge wird viel Kulinarik geboten.
       
       Dann wird die alte Herzogin ermordet. Es gibt tolle Ausbrüche aus dem
       Gefängnis, Seilbahnfahrten und Verfolgungsjagden auf Skiern. Bei alledem
       hat Anderson mal wieder die halbe Filmgeschichte geplündert, viel „James
       Bond“ diesmal. Zusammengehalten wird alles, wie so oft bei Anderson, durch
       eine Vater-Sohn-Geschichte.
       
       Gustave hat nämlich einen Schüler, den Pagen Zero (keine Erfahrung, keine
       Ausbildung, keine Eltern), gespielt von Tony Revolori. Als eine Art Pat und
       Patachon, aber eben auch wie Vater und Sohn bestehen sie alle Abenteuer
       zusammen, bis der Page zum Mann geworden ist: Am Schluss hat er nicht nur
       eine Frau gefunden, sondern auch tatsächlich das Menjou-Bärtchen, das er
       sich bis dahin nur aufgemalt hatte.
       
       ## Parfüm und Vertreibung
       
       In einer sehr zu Herzen gehenden Szene beschimpft Gustave ihn zuerst, weil
       er sein geliebtes Parfüm vergessen habe, dann erzählt Zero, dass er zu Fuß
       aus dem Krieg um den fiktiven Staat Aq-Salim-al-Jabat geflohen sei. Parfüm
       und Vertreibung, strenger Formwille und Chaos, Comic und Ernst – das knallt
       in diesem Film immer wieder aufeinander.
       
       Die tragikomische Höhe des Films ergibt sich auch daraus, dass sowieso der
       Krieg die ganze Erzählwelt zum Untergang verurteilen wird. Allerdings: eben
       nicht ganz zum Untergang. Am Schluss hängt das Gemälde „Jüngling mit
       Apfel“, dessentwegen gekämpft, betrogen und gemordet wurde, achtlos hinter
       dem Conciergetresen des Grand Budapest Hotel. Niemand weiß mehr, was es
       bedeutet hat; nur wer den Film gesehen hat, der weiß es eben doch.
       
       7 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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