# taz.de -- Filmfestival: Berlinale goes Knast
       
       > Zehn Jahre lang gab es keine Kinovorstellungen in der JVA Tegel. Dank der
       > Berlinale ändert sich das.
       
 (IMG) Bild: Endlich noch ein Lichtblick für die Tegeler Insassen
       
       Kaugummikauend, breibeinig, die Hände in die Hosentaschen gegraben,
       schlendern die Männer in den Saal. Junge, ältere, einige haben
       kahlgeschorene Schädel, tragen T-Shirts, die Tätowierungen auf ihren Armen
       freigeben. Andere kommen in Kapuzenpullis, das Basecap verkehrt herum auf
       dem Kopf.
       
       Ein Mann Ende 40, mit schulterlangen Haaren, Hut und Anzug, sticht aus der
       Menge heraus. Seit wann er in der JVA Tegel einsitzt, will er nicht sagen –
       „lange“, sagt er nur. Die zeitliche Dimension lässt sich erahnen, als er
       hinzufügt: „Die letzte Kinoveranstaltung hier im Knast ist mindestens zehn
       Jahre her“.
       
       Nicht nur deshalb ist das, was sich an diesem Montag in der JVA Tegel
       abspielt, eine kleine Sensation: Berlinale goes Knast. „Ich soll Sie schön
       grüßen von Festvialdirektor Dieter Kosslick,“ eröffnet Linda Söffker vom
       Berlinaleteam die Veranstaltung, bevor sie das Mikro an den Nachwuchsfilmer
       Georg Nonnenbacher weitergibt. Sein Dokumentarfilm „Raumfahrer“ zeigt den
       Transport eines Gefangenen aus dessen Sicht. „Sie erleben hier die
       Weltpremiere“, sagt Nonnenbacher zu den 51 Gefangenen.
       
       Dann geht das Licht aus, und eine 42minütige Reise mit dem Gefangenen
       beginnt. Der Mann wird von der JVA Schwerte nach Münster und später von
       Attendorf nach Köln transportiert. Die Kamera fährt im Bus mit, blickt
       durch einen schmales Fenster nach draußen. Schneelandschaften, Häuser,
       Autos ziehen vorbei. „Der Anblick weckt Erinnerungen und Sehnsüchte“ sagt
       der Gefangene einmal. „Transporttage sind das Schlimmste“.
       
       Dafür, dass im Film nicht viel passiert, ist es im Saal der JVA erstaunlich
       ruhig. Süßigkeitentüten knistern und rascheln. Ein Insasse, der mit seiner
       Körperfülle auf zwei Stühle passen würde, reicht Popcorn herum. Bei der
       Diskussion nach der Vorstellung – wie immer bei der Berlinale – wird er
       sagen: „Die ersten zehn Minuten habe ich mich gefühlt wie im richtigen
       Kino“.
       
       Als der Abspann läuft, klatschen die Zuschauer laut. „Wo ist George
       Clooney?“, ruft einer. Ein authentischer Film, lautet das Urteil der
       meisten. Die Depression des Knastalltags sei gut eingefangen. Noch lieber
       wäre ihm aber ein Blockbuster gewesen, bekennt einer: „Ein bisschen was,
       was einen rausreißt.“
       
       Am Donnerstag wird „Raumfahrer“ auf der Berlinale gezeigt. „Gut, dass die
       breite Masse mal sieht, was mit uns passiert,“ findet der Gefangene mit dem
       Hut. Auch dafür, endlich einmal wieder gemeinsam Kino erlebt zu haben, sei
       er dem Regisseur dankbar.
       
       Die Kinoveranstaltungen in Tegel seien abgeschafft worden, als die Insassen
       Fernsehen in der Zelle bekommen hätten, sagt Justizsprecherin Lisa Jani.
       „Nach dem positiven Echo am Montag wollen wir aber wieder Kino anbieten“.
       PLUTONIA PLARRE
       
       12 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA