# taz.de -- Berlinale-Spielfilm „Umsonst“: Zukunftslose Gegenwart
       
       > Südlich des Berliner Landwehrkanals: Stephan Geenes Spielfilm „Umsonst“
       > ist auf leichte Weise mit Wirklichkeit gesättigt.
       
 (IMG) Bild: Nicht Gebraucht-Werden als Selbstorganisation: Die Jugend südlich des Landwehr-Kanals.
       
       „Il faut être absolument moderne“, lautet Arthur Rimbauds paradoxer
       Imperativ. Stephan Geenes Spielfilm „Umsonst“ ist absolument auf der Höhe
       der Zeit, er spielt in einer Gegenwart, der das Moment des Zukünftigen
       abhanden gekommen ist. „Die sogenannte Schuldenkrise, an der nur die Eliten
       verdienen, hat aus der Zukunft alle Entscheidungsoptionen ausgeschlossen,
       wie Maurizio Lazzarato schreibt“, erklärt der Regisseur.
       
       Wer nun fürchtet, „Umsonst“ sei ein diskursgeschwängertes Thesenpapier auf
       Video, wird eines Besseren belehrt. Dieser wunderbare Film erzählt seine
       Geschichte subtil, verbirgt die theoretischen Überlegungen seines Autors
       mehr, als er sie offenbart.
       
       Aziza bricht das Praktikum bei ihrem Vater in Portugal ab und kehrt
       unangekündigt nach Hause zurück. Sie findet Zach in ihrem Bett vor, weil
       ihre Mutter das Zimmer in ihrer Abwesenheit untervermietet hat.
       
       Zach lernt ein bisschen Deutsch und Türkisch und macht ansonsten nicht
       viel. „I am not aspiring to anything great. I am great in that I don’t
       aspire“, sagt er. Seine mageren Besitztümer hat er größtenteils aus dem
       Müll gezogen.
       
       ## Zwischen Mutterpflicht und Selbstverwirklichung
       
       Weil Aziza wieder da ist, zieht er auf die Couch in der WG-Küche von
       Freunden. Aziza weiß nicht so recht, was sie will. Sie hat Probleme mit
       ihrer Mutter, und diese mit ihr, weil sie zwischen Mutterpflichten und dem
       Wunsch nach Selbstverwirklichung aufgerieben wird.
       
       Als flüchtige Identifikationsfigur driftet Aziza durch das Dreieck
       Kreuzberg, Treptow und Neukölln, absolument überzeugend gespielt von Ceci
       Chuh, die so spricht, wie junge Frauen in Berlin zwischen 18 und 20
       sprechen. Auch der in Berlin lebende neuseeländische Musiker Elliott McKee,
       der Zach Gestalt verleiht, und Vivian Daniel, die mit großer Präzision die
       Mutter von Aziza personifiziert, verleihen ihren improvisierten Sprechparts
       eine fast schon unheimliche Plausibilität.
       
       Unheimlich, weil ihre Figuren den Zuschauern so extrem nahe kommen – trotz
       des V-Effekts, dass ihre Geschichte die eines Films im Film ist, wobei
       beide Ebenen gleichviel Authentizität beanspruchen. „Umsonst“ ist auf
       leichte, fast poetische Weise mit Wirklichkeit gesättigt.
       
       Die Zukunft jeder Gesellschaft liegt in den Kindern, aber wie agieren sie,
       wenn es keine Zukunft gibt? „Umsonst“ macht keinen Vorschlag, wie die
       Antwort lauten könnte, sondern sieht hin, was südlich des Landwehrkanals
       los ist, wo sich junge Menschen aus aller Welt tummeln, um da zu sein,
       miteinander Bier zu trinken, die Gegenwart zu genießen. Stephan Geene liest
       ihr Verhalten als Form negativer Produktivität, „Nicht Gebraucht-Werden als
       Selbstorganisation, eine Organisation der eigenen Zeit“.
       
       Irgendwann brennt ein Auto, ein Handy landet im Müll, „ist doch auch nur
       ein Scheißgerät“, und dann heißt es: „Ihr könnt nicht alle nach Berlin
       ziehen, hier die Mieten erhöhen und dann kein Bier verteilen.“
       
       14 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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