# taz.de -- Die Wahrheit: Federball mit Fernfahrer
       
       > Nicht nur die Kunden gehören zu den Opfern des ADAC. Die Trickserei
       > traumatisierte vor allem unschuldige Familienmitglieder der Funktionäre.
       
 (IMG) Bild: Während der Familienferien kann auch kein Gelber Engel helfen.
       
       Die Geisterfahrt des ADAC geht weiter – und weit und breit kein Gelber
       Engel in Sicht. Nach dem Rücktritt von Präsident Peter Meyer werden in der
       Führungsetage des Automobilclubs wohl weitere Köpfe rollen müssen. Die
       Liste der Verfehlungen ist lang und soll hier nicht wiedergekäut werden.
       Vielmehr wird an dieser Stelle der Frage nachgegangen, welche menschlichen
       Verwerfungen das „System ADAC“ bei den unmittelbar Betroffenen, den
       Familienangehörigen der Funktionäre, angerichtet hat. Werfen wir einen
       Blick in die Abgründe der ADAC-Familienhölle.
       
       Sandra Meyer*, die 14-jährige Tochter des Expräsidenten, berichtet mit
       tränenerstickter Stimme von ihrem häuslichen Martyrium. „Wir haben kein
       einziges Mal normale Ferien gemacht. Während meine Freundinnen mit ihren
       Eltern nach Mallorca oder Rimini gefahren sind, mussten wir immer Urlaub
       auf dem Rasthof machen. In den letzten Sommerferien waren wir drei Wochen
       in der Raststätte Hermsdorfer Kreuz. Das war voll krass. Den ganzen Tag
       sind wir in der Gegend rumgelatscht und haben uns den Krach von den Autos
       anhören müssen. Mein Dad sagte immer nur: 'Der satte Sound von
       Verbrennungsmotoren ist Musik in meinen Ohren.' Die einzige Abwechslung war
       ein Tagesausflug zur Raststätte Teufelstal. Da haben wir mit Fernfahrern
       aus Lettland Federball gespielt. Cool.“
       
       Nicht minder Erschütterndes hat Jonas R. zu erzählen. Er ist der
       fünftälteste Sohn eines ADAC-Stauberaters. „Immer an Weihnachten stand in
       unserer kinderreichen Familie die ’Wahl des Lieblingskindes‘ auf dem
       Programm. Wählen durften nur meine Eltern, und von uns neun Geschwistern
       konnten nur die drei Bestplatzierten gewinnen. Da wurde im Vorfeld
       getrickst, getäuscht und geschummelt. Und am Ende, bei der Bekanntgabe des
       Wahlergebnisses unterm Weihnachtsbaum, flossen bei den sechs Verlierern die
       Tränen. Sturzbachweise.“
       
       Und dies war bei Weitem nicht das einzige bizarre Ritual, dem sich die
       Sprösslinge zu unterwerfen hatten. „Wenn bei einem Spielzeug von uns die
       Batterien gewechselt werden mussten, waren wir gezwungen, von unserem
       bescheidenen Taschengeld völlig überteuerte Batterien bei unserem Vater zu
       kaufen.“
       
       Die professionelle Deformation der ADAC-Mitarbeiter strahlt offenbar weit
       in den Privatbereich aus. Perfide Menschenführung scheint auch im
       familiären Umfeld an der Tagesordnung zu sein. Und nicht nur die Kinder
       müssen unter den vereinstypischen Verhaltensweisen leiden, auch so manche
       Ehefrau hat da einiges auszuhalten …
       
       Wir nähern uns der standesgemäßen Gründerzeitvilla des ehrenamtlichen
       ADAC-Tourismusmanagers Wolfgang Kunglbauer im Münchner Stadtteil
       Bogenhausen. Ein blaues Schild mit dem gelben ADAC-Adler prangt neben der
       Haustür: „Dieses Haus wird vom ADAC empfohlen.“ Wir klingeln. Die
       Hausherrin öffnet und führt uns in den Salon. Was sie zu berichten hat,
       zeigt, dass die bislang bekannt gewordenen Verfehlungen nur die Spitze des
       Eisbergs sein könnten. „Zu meinem 50. Geburtstag habe ich mir eine
       Mittelmeer-Kreuzfahrt gewünscht“, gibt Evelyn Kunglbauer zu Protokoll, „und
       was wurde aus diesem Plan? Wir pendelten zwei Wochen lang mit den Fähren
       verschiedener Gesellschaften zwischen Korsika, Sardinien und dem Festland
       hin und her. Und während ich in der schäbigen Cafeteria mit einem lauwarmen
       Prosecco meinen Frust hinunterspülte, schrieb mein Mann weiter an dem
       großen ADAC-Fährentest.“
       
       In diesem Moment tritt Wolfgang Kunglbauer in den Salon. Er hat alle
       Anschuldigungen seiner Gattin mitgehört und rechtfertigt sein Vorgehen nun
       mit bebender Stimme: Allein die Pflicht zur Wahrnehmung und Förderung der
       Interessen des deutschen Kraftfahrwesens habe ihn dazu gebracht, das zu
       tun, was getan werden musste. Seine flammende Rede gipfelt in dem Ausruf:
       „Sei doch froh, dass ich dich nicht zum Tunneltest mitgenommen habe!“
       Schluchzend verlässt seine Frau den Salon.
       
       Es gibt noch einiges aufzuarbeiten im Haus der Gelben Engel.
       
       ## (*Vorname geändert)
       
       25 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rüdiger Kind
       
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