# taz.de -- Kolumne Zumutung: Planschen im sozialen Abklingbecken
       
       > Das Beste an der Kinderbefreiung: Zu zweit Mangocreme essen und nichts
       > sagen müssen. Weil man sich längst wortlos versteht.
       
 (IMG) Bild: Man muss ja nicht immer reden: zwei Löffel im Dreivierteltakt
       
       Der Samstag verlief großartig. Der Mann und ich hatten zeitungknisternd
       gefrühstückt, um anschließend allerlei Dinge zu verrichten. Was halt so
       anliegt in einem kinderbefreiten Haushalt: Wäsche aufhängen, Rechnungen
       begleichen, Mutti anrufen. Und natürlich die Töchter.
       
       Als es dunkelte, griffen wir eine Flasche Wein und machten uns auf den Weg
       zu jener Geburtstagsparty, auf die eingeladen zu sein uns das beruhigende
       Gefühl gab, mit Ende vierzig nach wie vor über ein vitales Sozialleben zu
       verfügen.
       
       Ein Jahr zuvor war das letzte Kind ausgezogen, damit war unsere nächstcoole
       Lebensphase angebrochen. Und das Jahr war gut gewesen. Wir hatten das
       Kinder- in ein Arbeitszimmer umrenoviert. Wir waren zu einem Festival
       gereist, um auf einer Kuhweide zu zelten. Wir hatten uns angerufen, um uns
       fürs Kino zu verabreden. Wir waren spazieren gegangen, um zu reden. Kurzum,
       das Jahr war ungefähr so großartig gewesen wie unsere kinderlose
       Kennenlernzeit.
       
       Als wir nun an diesem Abend bei der Party ankamen, war die Wohnungstür
       blockiert. Ein winziger Lauflernling saß vor dem Eingang auf seinem
       Windelhosenboden. Rasch ward er fortgetragen vom Vater. Wir folgten der
       Lärmspur in die Küche und trafen auf die Jubilarin. „Glückwunsch! Wie alt?
       Come on, erst die Fünfzig soll ja wehtun.“ Sie lächelte zaghaft, konnte uns
       den Wein aber nicht abnehmen, weil in ihren Armen ihr Sohn schlief.
       
       ## Unsere soziale Außenseiterposition
       
       Wir schauten uns um. Parkett und Stuck, an den Wänden Großformatfotos und
       Kinderkrakelbilder. Alle Stühle und Sofas waren besetzt: Eltern
       fortgeschrittenen Alters gönnten ihren Rücken etwas Schonung. Zu ihren
       Füßen rutschten Kinder übers Parkett, während Mama und Papa sich an ihren
       BioZisch-Flaschen festhielten. Ein heteronormatives Schaubild, wie es sich
       die Bundesregierung nicht schöner wünschen kann: Akademikereltern, die
       alles haben (außer vielleicht ausreichend Schlaf).
       
       Der Mann und ich akzeptierten unsere soziale Außenseiterposition. Wir
       würden einfach im Stehen warten, bis die richtigen Erwachsenen kämen. Bis
       dahin labten wir uns an Bier und einer Mangocreme, die wir mit zwei Löffeln
       von einem Teller speisten. Während wir schweigend löffelten, entspann sich
       in einer Mütterecke ein Gespräch, in dem es im Großen und Ganzen um Mangel
       an Rücksicht auf Eltern ging. „Sorry!?“, zischte eine der Frauen, „sorry,
       dass ich hier mit dem Kinderwagen lang will. Mann! Die Leute gucken immer
       so giftig.“
       
       Die Mitmütter nickten verständnisinnig, um sich einem weiteren Hassthema
       zuzuwenden: Langweilerpärchen. Nicht mit anzusehen, wie die schweigend in
       Restaurants rumsäßen. „Da ist doch der Ofen längst aus“, sagte die eine.
       Ganz schlimm, ergänzte die andere, seien Paare, die sich gemeinsam Essen
       teilten; das sei ungefähr so sexy wie ein Seniorenteller.
       
       Der Mann und ich schauten uns an. Wir ließen unsere Löffel in die
       Mangocreme sinken, holten unsere Mäntel und gingen. Großartig: Nach all den
       Jahren mussten wir gar nichts sagen, wir dachten eh dasselbe. Es wurde dann
       noch ein sehr lustiger Abend in der Bar gegenüber.
       
       3 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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