# taz.de -- Ultraorthodoxe protestieren in Jerusalem: Beten gegen Wehrpflicht
       
       > Hunderttausende strengreligiöse Demonstranten haben ganz Jerusalem
       > lahmgelegt. Sie wollen ein neues Gesetz stoppen, das eine allgemeine
       > Wehrpflicht vorsieht.
       
 (IMG) Bild: Der Alltag in der Armee behindert die religiösen Pflichten, meinen diese Demonstranten in Jerusalem.
       
       JERUSALEM dpa | Hunderttausende Israelis haben am Sonntag in Jerusalem
       dagegen protestiert, dass künftig auch strenggläubige Juden einen
       Wehrdienst leisten sollen. Es handelte sich um eine der größten
       Demonstrationen in der israelischen Geschichte. Der Massenprotest richtete
       sich gegen einen Gesetzentwurf, der eine gerechtere Verteildung der
       Wehrpflicht in Israel regeln soll. Das israelische Parlament soll das
       umstrittene Gesetz noch in diesem Monat billigen.
       
       Strengreligiöse Juden verweigern in der Regel den Armeedienst mit der
       Begründung, er erschwere ihnen die Ausübung ihres Glaubens. In der Armee
       gibt es etwa keine Trennung zwischen Männern und Frauen, und es gibt häufig
       Einsätze am Samstag, für religiöse Juden ein heiliger Ruhetag. Mehrere
       tausend tiefreligiöser Männer dienen allerdings schon in speziellen
       Einheiten in der Armee.
       
       Vor zwei Jahren hatte Israels höchstes Gericht entschieden, dass die
       Freistellung tiefreligiöser Juden vom Militärdienst verfassungswidrig ist.
       Die Regelung stammte aus der Zeit der Staatsgründung 1948. Damals gab es
       jedoch nur 400 solcher Fälle pro Jahr. Die Geburtenrate in ultraorthodoxen
       Familien liegt jedoch wesentlich höher als in westlich geprägten, weniger
       religiösen Teilen der Bevölkerung.
       
       Heute liegt die Zahl der ultraorthodoxen Männer, die vom Wehrdienst befreit
       sind, nach Angaben der Zeitung Jediot Achronot schätzungsweise schon bei
       60.000 bis 70.000. An dem Streit über die Wehrpflicht war im Jahre 2012 die
       große Koalition des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zerbrochen.
       
       ## Drohung an Wehrdienstverweigerer
       
       Der Gesetzesentwurf sieht jetzt vor, dass die Wehrpflicht schrittweise auch
       auf ultraorthodoxe Männer ausgeweitet wird. In diesem Jahr sollen zunächst
       3.800, 2015 dann 4.500 und 2016 5.200 strengreligiöse Rekruten eingezogen
       werden. Erst von Juli 2017 an soll sie für alle ultraorthodoxen Männer im
       wehrpflichtigen Alter gelten, doch auch dann gibt es noch Ausnahmen.
       Besonderen Zorn in strengreligiösen Kreisen löste die Drohung mit Haft für
       Wehrverweigerer aus. Viele Ultraorthodoxe erkennen an, dass die bisherige
       Regelung ungerecht ist, und sprechen sich dafür aus, dass in Israel eine
       Berufsarmee nach europäischem Vorbild geschaffen wird.
       
       Zahlreiche schwarz gekleidete Männer drängten sich am Nachmittag vor allem
       an der zentralen Einfahrt nach Jerusalem. Sie trugen Spruchbänder mit
       Aufschriften wie „Rette mich vor meinem Bruder“. Nach Medienberichten
       verbrannten mehrere wütende Demonstranten Reifen. Zwölf Menschen seien bei
       Konfrontationen leicht verletzt worden. Vor der Großdemonstration hatte die
       Polizei in Jerusalem ihre Präsenz verstärkt. 3.500 zusätzliche
       Sicherheitskräfte waren im Einsatz, wie Polizeisprecher Micky Rosenfeld
       mitteilte. Es kam zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, zahlreiche Straßen
       in und nach Jerusalem waren gesperrt.
       
       Eine der treibenden Kräfte des heftig umstrittenen Gesetzesentwurfs ist der
       Vorsitzende der Zukunftspartei, Finanzminister Jair Lapid. Er sprach im
       vergangenen Monat nach der Billigung des Entwurfs durch einen
       Ministerausschuss von der „Rückkehr des Zionismus“ und der „Korrektur einer
       historischen Ungerechtigkeit“.
       
       2 Mar 2014
       
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