# taz.de -- Die Wahrheit: War Hitler eine Frau?
       
       > Der Historiker Dr. Manfred Oberstallzen ist überzeugt davon. Mithilfe
       > eines Schädels und penibler Textexegese glaubt er jetzt Beweise vorlegen
       > zu können.
       
 (IMG) Bild: Nur im Ansatz richtig: Hitler-Darstellung in polnischen Medien.
       
       Die an kolossalen Irrtümern nicht gerade arme Weltgeschichte schickt sich
       an, einen weiteren grandiosen Fauxpas in die lange Historie ihrer
       Fehlinterpretationen einzugliedern.
       
       Der katholische Münchner Historiker Dr. Manfred Oberstallzen wirft eine
       These in den Raum, die Teile der deutschen, und damit gleichermaßen auch
       der Weltgeschichte in einem komplett anderen Licht erscheinen lassen und
       das dunkelste Kapitel unserer kollektiven Nationalvita noch um einiges
       unvorstellbarer und damit gleichsam irrsinniger schimmern lässt, als das
       ohnehin bereits der Fall ist.
       
       Zur Erinnerung: Am 30. April 1945 nahm sich Adolf Hitler – im Berliner
       Führerbunker von russischen Truppen eingeschlossen – per Kopfschuss das
       Leben. Nicht ohne sich vorher, neben seiner kurz zuvor angetrauten und
       partnerschaftlich mitsterbenden Gattin Eva, sicherheitshalber auch noch zu
       vergiften. Die sterblichen Überreste der Hitlers wurden im Garten der
       Reichskanzlei verbrannt und verscharrt. Doch bereits in den ersten Maitagen
       wurden die verkohlten Leichenteile wieder von russischen Soldaten
       ausgegraben, und Forensiker identifizierten eine der Leichen anhand
       zahntechnischer Untersuchungen eindeutig als die von Adolf Hitler. Doch im
       Durcheinander der Ausgrabungen ging ein Stück des Hitlerschädels verloren.
       Erst ein Jahr später fand ein zweiter sowjetischer Suchtrupp bei
       Aufräumarbeiten eine halbe Schädelkalotte mit dem Austrittsloch einer
       Kugel. Gemeinsam mit dem Kieferknochen, der bereits ein Jahr zuvor
       eindeutig Hitler zugeordnet wurde, landete der Knochen im Archiv der
       Sowjets. So weit, so gut.
       
       Im Jahr 2009 fand nun aber der amerikanische Anthropologe Nick Bellantoni,
       immerhin Staatsarchäologe des US-Bundesstaates Connecticut, heraus, dass
       der vermeintliche Hitlerschädel eindeutig einer Frau zuzuordnen sei. Der
       Schädel der mitvergrabenen Eva Braun scheide allerdings aus, da dieser
       durch ihren Zyankalitod keine Schussverletzung aufweisen sollte.
       
       Und hier greift nun der revolutionäre Neuansatz Oberstallzens, der
       behauptet, wenn der in Moskau verwahrte Schädel Hitler gehöre, aber ebenso
       eindeutig einer Frau, lasse das keinen anderen Schluss zu, als dass Adolf
       Hitler eine Frau gewesen sein muss.
       
       „Schauen Sie“, so der Historiker in einer Pressekonferenz zum Thema, „wenn
       die Sowjets sagen, dass sei der Schädel Hitlers, würde ich ihnen das nicht
       unbedingt glauben, aber es stand doch seinerzeit sogar in vielen Zeitungen.
       Und als bibelfester Katholik zweifle ich natürlich nicht an, was
       geschrieben steht.“
       
       Die Folgerungen Oberstallzens sind bestechend: Wenn man das
       politisch-kulturelle Manifest einer archaischen Hirtenkultur als objektiven
       Tatsachenbericht akzeptiert, sind auch andere schriftliche Publikationen
       als Quell einer übergeordneten Wahrheit nicht infrage zu stellen.
       
       ## Hitler hatte nichts Feminines an sich
       
       „Ich bin ein Mensch, der dem geschriebenen Wort folgt“, führt Manfred
       Oberstallzen seine Argumentation weiter aus, „stelle mich aber auch
       modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht in den Weg. Wenn also
       journalistische Publikationen – die des Feminismus wie des Faschismus
       unverdächtig sind – von Untersuchungen berichten, der Schädel gehöre einer
       Frau, dann muss es stimmen. Zumal ich es beweisen kann!“
       
       Eine Aussage wie ein gottgewollter Donnerschlag. Galt die Theorie des
       frommen Münchners bisher nicht gerade als salonfähig, droht er nun „die
       größte Verschwörung der Menschheitsgeschichte rücksichtslos auffliegen zu
       lassen. Noch größer als der legendäre Schwindel, Louis Armstrong sei der
       erste Trompeter auf dem Mond gewesen.“ Selbst kritische Geister können sich
       der kristallklaren Logik Oberstallzens kaum entziehen.
       
       „Warum hatte Hitler denn so rein gar nichts Feminines an sich?“, fragt
       Oberstallzen. „Warum zog er sich wohl an wie ein Mann und wurde der
       abscheulichste Verbrecher und Massenmörder der Geschichte? Und dazu dieser
       lächerliche kleine Bart? Natürlich. Weil er nicht als Frau erkannt werden
       wollte!“
       
       Ein Argument, das sitzt und so einiges erklärt. Oberstallzen weiter: „Dass
       der Führer nur einen Hoden hatte, also ohnehin höchstens ein halber Mann
       gewesen wäre, haben Guido Knopp und Kohorten von Hobbyhistorikern schon
       lange kolportiert. Damit schien die Frage geklärt, warum die kurze Ehe mit
       Eva nicht vollzogen wurde.“ Doch nun ist dank fulminanter Textexegese
       Oberstallzens klar: Alles war noch viel abstruser – und deshalb ist nun
       einiges auch wieder klarer.
       
       24 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Schneider
       
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