# taz.de -- Gernot Erler über die Krim-Krise: „Russland isoliert sich selbst“
       
       > Der Kreml hat die Reaktion des Westens auf sein Vorgehen in der Ukraine
       > unterschätzt, sagt der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot
       > Erler.
       
 (IMG) Bild: Gernot Erler: „Wenn wir deeskalieren wollen, müssen wir jedoch wissen, was Russland will.“ Der Ball liegt auf Putins Seite.
       
       taz: Herr Erler, Sie gehörten bislang zu den Dolmetschern Russlands in
       Deutschland. Ist das solide Fundament der bilateralen Beziehungen in eine
       Schieflage geraten? 
       
       Gernot Erler: Beide Seiten haben über Jahrzehnte wechselseitige
       Abhängigkeiten aufgebaut, die auf Vertrauen basierten. Da gibt es viel zu
       verlieren. Wir wollen Russland nicht isolieren, es muss aber verstehen,
       dass es sich mit seinem Vorgehen selbst isoliert. Wir können nicht mehr mit
       jemandem Politik treiben wie bisher, der im 21. Jahrhundert mit Gewalt
       Grenzen verschiebt und gegen Völkerrecht verstößt.
       
       Wurde die Reaktion des Westens auf die Krimkrise in Moskau unterschätzt? 
       
       Ich habe den Eindruck, dass der EU keine gemeinsame Position zugetraut
       wurde. Vielleicht noch bei den ersten beiden Sanktionsstufen. Spätestens
       bei den wirtschaftlichen Sanktionen würde diese Gemeinsamkeit jedoch
       auseinanderbrechen. Sie bedeuten schließlich, Selbstbeschädigung. Ich habe
       den Gesprächspartnern klarzumachen versucht, dass sie einer
       Fehleinschätzung aufsitzen. Auch die deutsche Wirtschaft ist bereit, wenn
       es um die Wahrung internationalen Rechts geht, eigene Interessen
       zurückzustellen. Mag das auch schmerzhaft sein. Das in aller Deutlichkeit
       zu vermitteln, war mein politisches Ziel.
       
       Hatten Sie den Eindruck, dass Ihre offiziellen Gesprächspartner sich ihres
       Weges in die Selbstisolation bewusst sind? 
       
       Nein, im Moment ist überhaupt kein Gefühl dafür vorhanden. Die ersten
       Maßnahmen und Sanktionen sind als Botschaft noch nicht angekommen. All das
       versinkt in einem nationalen Überschwang gegenüber der „heiligen Krim“ und
       in anderen pathetischen Floskeln. Unter diesem Dach werden die Risiken der
       russischen Politik nicht realistisch eingeschätzt.
       
       Folgt der Einmarsch in der Ukraine nicht auch innenpolitischen Motiven
       Russlands? 
       
       Was ich jetzt sage, hat mit meinem Mandat nichts zu tun. Für Russland ist
       der Maidan eine Provokation, weil er für einen erfolgreichen Regimewechsel
       von unten steht. Wir erinnern uns noch, wie betroffen Russland auf die
       farbigen Revolutionen in Georgien, der Ukraine 2004 und Kirgisien
       reagierte. Dass das jetzt beim Nachbarn wieder passiert, hat den damaligen
       Schock verschärft. Die Versuche sind offensichtlich, dass Russland den
       Erfolg eines Regimewechsels auf jeden Fall verhindern will. Der Ukraine
       wird gezeigt, dass das Vorhaben zu keinem glücklichen Ende führt. Die erste
       Reaktion war die Krim, aber es geht weiter. Überdies wird das von einer
       Polemik in den Medien flankiert, die einseitig mit Übertreibungen arbeitet,
       um den Wechsel zu blockieren. Ein anderes Motiv ist die Eurasische Union,
       für die Moskau die Ukraine offenhalten will.
       
       Schließen Sie eine militärische Lösung aus? 
       
       Ich bin optimistisch, dass es zu keiner militärischen Lösung kommt. Wenn
       wir deeskalieren wollen, müssen wir jedoch wissen, was Russland will. Wird
       es davon Abstand nehmen, anderswo ein Krim-Szenario zu entfalten? Ein
       kleiner Erfolg ist, dass die Verteidigungsminister der beiden Länder
       Kontakt aufgenommen haben.
       
       27 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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