# taz.de -- Wahl in kanadischer Provinz Quebec: Separatisten abserviert
       
       > Bei der Parlamentswahl in Québec strafen die Wähler die Separatisten ab.
       > Eine Unabhängigkeit der frankophonen Provinz von Kanada rückt damit in
       > weite Ferne.
       
 (IMG) Bild: So sieht Enttäuschung aus: Separatist in Québec.
       
       EDMONTON taz | Seit Jahrzehnten träumen die Separatisten in der überwiegend
       französischsprachigen Provinz Québec von ihrem eigenen Staat auf
       nordamerikanischem Boden. Sie wachen mit strengen Vorschriften über ihre
       Sprache, propagieren eine französische Leitkultur und pochen bei jeder
       Gelegenheit auf die Eigenständigkeit ihrer Heimat.
       
       Doch der Traum von einem souveränen Staat Québec, unabhängig von Kanada,
       ist in weite Ferne gerückt. Nach einem völlig verkorksten Wahlkampf verlor
       der separatistische „Parti Québecois“ am Montag auf spektakuläre Art die
       Parlamentswahlen in der Provinz – und die bisherige Regierungschefin
       Pauline Marois ihren Job.
       
       Nach nur 19 Monaten in der Regierung fielen die Separatisten mit nur 26
       Prozent der Stimmen auf eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte
       zurück, und Marois muß ihr Amt nun an Philippe Couillard von der
       Kanada-treuen Liberalen Partei abgeben, die rund 41 Prozent erreichte.
       Marois sprach von einer „bitteren Niederlage“ und kündigte noch in der
       Nacht ihren Rücktritt an.
       
       Die Schlappe trifft die Separatisten unvorbereitet. Noch vor wenigen Wochen
       hatten alle Umfragen Marois vorne gesehen. Die bislang einer
       Minderheitsregierung vorstehende Politikerin hatte im Gefühl eines sicheren
       Sieges vorzeitig Neuwahlen ausgerufen und eine Mehrheit schien greifbar.
       
       ## Völlig aus der Zeit
       
       Doch dann leistete sich die 65-Jährige einen Patzer nach dem anderen.
       Marois setzte auf die falschen Themen und Personen. Während sich die
       meisten Québecer vor allem um ihre Jobs, die Wirtschaft, die Ausbildung
       oder das Gesundheitswesen sorgen, schlug Marois immer wieder auch
       nationalistische Themen an – und fiel damit völlig aus der Zeit.
       
       Mit einer so genannten Werte-Charta wollte Marois in der Provinz eine
       französische Leitkultur durchsetzen und religiöse Symbole wie das Kopftuch
       aus staatlichen Einrichtungen verbannen. Sie stellte eine weitere
       Verschärfung der ohnehin schon strikten Sprachgesetze in Aussicht und
       schloss auch ein abermaliges Referendum über die Unabhängigkeit von Québec
       nicht völlig aus.
       
       Das aber kam bei vielen Québecern schlecht an. Seit Jahren gibt es in der
       Provinz keine Mehrheit mehr für einen eigenständigen Staat. Laut Umfragen
       befürworten nur rund ein Drittel der Bürger eine Loslösung von Kanada. Vor
       allem für jüngere Frankokanadier hat das Thema keine oberste Priorität. Sie
       fürchten weniger um ihre Kultur und Sprache als noch ihre Eltern und
       Großeltern.
       
       Als fatal erwies sich auch die wichtigste Personalentscheidung der
       Separatisten. Zu Beginn des Wahlkampfes hatte Marois den 52-jährigen
       Medienmogul Pierre Karl Péladeau als Starkandidat aus dem Hut gezaubert.
       Péladeau kontrolliert mit seinem Konzern Québecor einen großen Teil der
       Presselandschaft der Provinz und gilt als einer der einflussreichsten
       Männer in Québec.
       
       ## Der Scoop erwies sich als Bumerang
       
       Was als Scoop gedacht war, erwies sich jedoch als Bumerang. Statt sich auf
       seine angedachte Rolle als Wirtschaftsexperte zu konzentrieren, fabulierte
       Péladeau schon in seiner ersten Pressekonferenz über ein eigenständiges
       Québec – und mobilisierte damit die föderalistisch-gesinnten Anhänger der
       Opposition.
       
       Die verhalfen dem designierten Premierminister Philippe Couillard, einem
       bislang weitgehend unbekannten 56-jährigen Medizinprofessor aus Montréal,
       zu einem unverhofften Triumph. Das Ausmaß des Sieges kommt insofern
       überraschend, da Couillards Liberale Partei zuletzt in Korruptionsskandale
       verwickelt war, die noch nicht restlos aufgearbeitet sind.
       
       Doch die Sorge vieler Wähler über ein drohendes Unabhängigkeitsreferendum
       und die damit verbundenen Unsicherheiten war offenbar größer als die Furcht
       vor einer Partei mit fraglicher Vergangenheit. Die Niederlage der
       Separatisten war so deutlich, dass damit sämtliche Bestrebungen nach
       Eigenständigkeit auf Jahre, wenn nicht auf Jahrzehnte, im Sande verlaufen
       dürften.
       
       Zweimal schon hatten die Québecer über eine Unabhängigkeit von Kanada
       abgestimmt. Beim ersten Referendum 1980 scheiterten die Separatisten klar,
       bei der zweiten Abstimmung 1995 war das Ergebnis mit 49,7 Prozent denkbar
       knapp. Während der Oktoberkrise Anfang der 70er Jahre hatten Extremisten
       Bomben gezündet und Politiker entführt, um ihrer Forderung nach
       Unabhängigkeit Nachdruck zu verleihen.
       
       8 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Michel
       
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