# taz.de -- Behindertenausweis für Kinder: Zwei Buchstaben mehr für Paul
       
       > Ob ein Kind mit Gendefekt einen Behindertenausweis bekommt, hängt vom
       > Wohnort ab. Eine Mutter kämpft für einheitliches Recht.
       
 (IMG) Bild: Mit einem G im Ausweis geht es besser voran
       
       LEIPZIG taz | Zuerst wurde Kirstin Thiels Sohn ein Grad der Behinderung von
       50 und das Merkzeichen H für Hilflosigkeit attestiert, weil – so das
       zuständige Sozialamt – eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes
       möglich sei.
       
       „Ein Witz“, schimpft die Leipzigerin, schließlich gehe es um einen
       Gendefekt. Von anderen Eltern weiß sie: „In Nordrhein-Westfalen oder Bayern
       bekommen Betroffene mindestens 80 mit G, B und H.“ Hinter den Buchstaben G
       und B verbirgt sich der Nachweis über eine erhebliche Gehbehinderung und
       die Notwendigkeit ständiger Begleitung.
       
       Damit wird Eltern unter anderem ermöglicht, ihr Kind kostenfrei in
       öffentlichen Verkehrsmitteln zu begleiten. In Erlangen müssen sich Eltern
       behinderter Kinder um solche Hilfe keine Gedanken machen, bestätigt Inge
       Holzammer von der örtlichen Lebenshilfe. „Hier wird bei der Diagnose
       Down-Syndrom üblicherweise ein Grad der Behinderung von 80 bis 100 und die
       drei Merkzeichen zuerkannt.“
       
       Warum wird das in Leipzig ganz anders gehandhabt? Evelin Renner vom
       Sozialamt argumentiert: „Allein die Diagnose gibt keine gesicherte Aussage
       darüber, wie sich die Erkrankung tatsächlich auswirkt. Die Entwicklung der
       Kinder kann sehr unterschiedlich verlaufen.“ Zum Vergleich werde der für
       das Lebensalter typische Zustand herangezogen. Wie sich die individuelle
       Situation darstelle, lasse sich erst später konkret beurteilen. „Regulär
       erfolgt deshalb zunächst die Feststellung eines Grades der Behinderung von
       50 sowie die Anerkennung des Merkzeichens H.“
       
       Zu Widerspruch in solchen Fällen raten der Arbeitskreis Down-Syndrom und
       das Deutsche Down-Syndrom Info Center. Bereits als Babys bekämen Kinder mit
       der Chromosomenabweichung Trisomie 21 aufwendige Förderung und Therapien,
       um ihnen zu einer bestmöglichen körperlichen und geistigen Entwicklung zu
       verhelfen. Ein umfassender Schwerbehindertenausweis könne den Alltag
       deutlich erleichtern.
       
       ## Eigeninitiative ist gefragt
       
       Dass dieser jedoch trotz gleicher Diagnose nicht allerorts im ersten Anlauf
       ausgestellt wird, weiß auch Info-Center-Sprecherin Elzbieta Szczebak.
       Während es in Bayern und Nordrhein-Westfalen „vergleichsweise einfach“ sei,
       müssten Eltern in Ostdeutschland kämpferischer auftreten. Dadurch entstünde
       ein Gefühl der Ungleichbehandlung. Denn für die Vergabe wird
       deutschlandweit dieselbe rechtliche Grundlage angewendet.
       
       Auch im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist bekannt, dass
       Betroffene eine uneinheitliche Durchführung der gesetzlichen Vorgabe
       beklagen. Das Schwerbehindertenrecht obliege jedoch allein den Ländern. Man
       sei „weder Aufsichtsbehörde“, noch könne man „Weisungen erteilen“, sagt ein
       Sprecher. Seit 2011 finde jedoch ein regelmäßiger Austausch mit Ärzten,
       Juristen und Verwaltungsfachleuten der Länder statt, um die Begutachtung zu
       vereinheitlichen.
       
       Kirstin Thiel setzt derweil auf Eigeninitiative. Zwei Jahre nach der Geburt
       wurden auch ihrem Sohn Paul nun die Merkzeichen G und B zugesprochen. Der
       Grad der Behinderung wurde auf 70 heraufgesetzt. Trotzdem hat seine Mutter
       nicht nur Widerspruch eingelegt, sondern eine Klage eingereicht: „Es kann
       nicht sein, dass wir das nur erreicht haben, weil wir so hartnäckig sind.“
       
       15 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Insa van den Berg
       
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