# taz.de -- Alles so modisch: Tand und Tändelei
       
       > Zwei Ausstellungen auf Hamburgs Museumsmeile ehren den Designer Karl
       > Lagerfeld. Nebenbei soll noch Interesse für den Maler Anselm Feuerbach
       > abfallen.
       
 (IMG) Bild: So hat Anselm Feuerbach in Rom Paris gemalt.
       
       HAMBURG taz | Wer an Deutschlands angeblich meistbenutztem Hauptbahnhof
       ankommt, muss denken, Hamburg sei die Hauptstadt der Mode. Da werden
       „Lagerfelds Models“ beworben und der „Mythos Chanel“ wird verkündet. Aber
       nicht die großen Modeketten werben hier, sondern die beiden großen
       staatlichen Museen.
       
       Denn die Kunsthalle hat eine Ausstellung von 40 Bildern des Malers Anselm
       Feuerbach (1829 bis 1880), vor allem Porträts seines Modells Nanna, mit
       über 60 antikisierenden Fotos von Karl Lagerfeld kombiniert. Und das Museum
       für Kunst und Gewerbe inszeniert Kleider, Schmuck und Parfüm aus der
       Geschichte der heute von Karl Lagerfeld geleiten französischen Modemarke.
       
       Die beiden Museen behaupten zwar, dieses Zusammentreffen sei zufällig. Aber
       sie bieten aus diesem Anlass sogar eine Kombi-Karte an. Zufall ist bestimmt
       auch, dass gerade dieser Tage eine neue, 1.000 Quadratmeter große
       Chanel-Boutique am Neuen Wall eröffnete.
       
       Kleinere Lagerfeld-Devotionalien werden zwar auch in den Museumsshops
       verkauft, in der Kunsthalle geht es aber doch um große Fotoleinwände und
       klassische Ölbilder. Der 1829 in Speyer geborene Anselm Feuerbach lebte 16
       Jahre in Rom und gilt als einer der bedeutendsten deutschen Maler des 19.
       Jahrhunderts.
       
       Auf der Suche nach dem idealen Gesicht einer rückersehnten Antike lernte er
       Anna Risi kennen, die Frau eines Schusters. Sie entsprach für ihn diesem
       Idealtyp, sie malte er über 30 Mal. Die meisten dieser historisierenden
       Porträts mit fast immer abgewandtem Blick sind in dieser Ausstellung zu
       sehen, ohne dass die Person einem dabei näher kommt. Die selbst für das 19.
       Jahrhundert unüblich egomane Inbesitznahme der Anna Risi als Modell und
       Geliebte, Muse und maßlos überhöhtes antikes Ideal sperrte sie in einen
       goldenen Käfig, aus dem sie nach knapp fünf Jahren floh.
       
       ## Peinliche Konkurrenz
       
       „Modezar“ Karl Lagerfeld dagegen dürfte genau wissen, wo die Grenzen einer
       Inszenierung sind. Zwar arbeitet hochwertige Mode mit dem Versprechen, dass
       eine schöne Hülle den Alltag verändert, aber ein erfahrener Profi weiß um
       die Irrealität des schönen Scheins.
       
       Das deutet sich hier bei den Bildern darin an, dass das Bildraster deutlich
       sichtbar bleibt: In großer Nähe löst sich das schöne Bild weitgehend auf.
       Dennoch badet dieses eigens für die Kunsthalle entworfene und gefertigte
       Fotoprojekt im Materialfetischismus: Fotoleinwände mit eingewirkten Gold-
       und Silberfäden setzen eine Wertigkeit, die zwar zu den schweren Goldrahmen
       des 19. Jahrhunderts augenzwinkernd überleitet, aber ernst gemeint, also
       als Konkurrenz zur traditionellen Malerei, außerordentlich peinlich wäre.
       
       Ganz klar – eine solche Ausstellungskombi geht gar nicht, selbst wenn man
       eine gute Portion Ironie gegenüber einer aktuellen Antikenrezeption
       unterstellte. Sicher darf ein guter Fotograf seine Vision der antiken
       Liebesgeschichte des griechischen Dichters Longus über Daphnis und Chloe
       nachstellen.
       
       ## Liebe zu bourgeoiser Pracht
       
       Dass der griechische Frauenname Chloe auch eine stark von Karl Lagerfeld
       bestimmte französische Mode- und Parfümmarke ist, spielt da wohl keine
       Rolle. Und mit einer gewissen Liebe zu bourgeoiser Prächtigkeit kann das
       zur Not auch mit einer Skulptur eines nackten Jünglings, raunender
       Rezitation sowie dezentem Vogelgezwitscher vom Tonträger schwülstig
       inszeniert werden.
       
       Aber eben trotz der bewussten Überinszenierung nicht gerade in der
       Kunsthalle. Und wenn schon, dann nicht über den oberflächlichen Vergleich
       des Arbeitens mit Modellen und zusammen mit dem ernsthaften Antikensucher
       Feuerbach, sondern vielleicht zusammen mit dessen damaligen Gegnern Johann
       Evangelist Ferdinand Apolinaris Makart oder Arnold Böcklin, also denjenigen
       Historien-Malern, denen der Zitat-Charakter ihrer prallen antikisierenden
       Bildfindungen klar war.
       
       So aber zeigt sich, dass die Arbeiten eines unzweifelhaft exquisiten, aber
       etwas staubigen Malers und eines guten Modefotografen durch die
       populistische Kombination und die falschen Kontexte eher ab- als
       aufgewertet werden. Man beginnt zu überlegen, ob nicht die „Ruhende Nymphe“
       von Feuerbach selbst 1870 vielleicht ebenso schon Salon-Kitsch war, wie
       Lagerfelds Skulptur des hingegossenen nackten Daphnis. Aber vielleicht
       funktioniert das Ganze in anderem Sinne doch: Es gibt eine
       Medien-Aufmerksamkeit, die Feuerbach allein nicht bekäme.
       
       ## Warenwelt statt wahre Welt
       
       Die Ausstellung im anderen großen Museum auf der Hamburger Kunstmeile gilt
       zwar dem „Mythos Chanel“ – aber da Karl Lagerfeld für eben diese Firma seit
       1983 der künstlerische Leiter ist, geht es neben Coco Chanel dort zu einem
       Gutteil um ihn. Wer aber von Räumen voller Kleider nicht restlos begeistert
       ist, könnte auch hier über die Relativität eines jeweils neu ausgerufenen
       Schönheitsideals ins Grübeln kommen.
       
       In einem kurzen Film-Porträt wird unter anderem das Defilee zur
       Prêt-a-porter Kollektion 1992/93 gezeigt, alles zeittypisch schön in
       Orange: In diesem zeitlichen Abstand wird klar, was für ein Tand das alles
       ist. Zu ihrem Modeschmuck sage Coco Chanel einst: „Was zählt, ist nicht das
       Karat, sondern die Illusion.“
       
       Zur Mode und zum Entertainment gehören Illusionen. Die Qualität des Museums
       aber sollte sein, dass es Originale zum Sprechen bringt, sich mit den
       Spiegelungen der wahren Welt befasst, nicht mit der Warenwelt.
       
       Außer dem nach eigenen Angaben 1938 (vermutlich aber früher) in Hamburg
       geborenen Karl Lagerfeld ist beiden Ausstellungen noch eins gemein: Sie
       scheitern in der Darstellung der verkündeten großen Themen. Ein Mythos soll
       präsentiert werden – und gezeigt werden Kleider und Schmuck. Der Geist der
       Antike soll mit Bild und Foto, Text und Klang aktualisiert werden – und man
       sieht Künstlerobsessionen und Nackte im Wald.
       
       Spannend wäre es gewesen, die Projektionen zu verdeutlichen, die in Kunst
       und Mode mithilfe von Rollenmodellen ausagiert werden. Denn alle drei –
       Anselm Feuerbach, Coco Chanel und Karl Lagerfeld – sind bekannt für
       raffinierte Selbstdarstellung und eine schillernde, schwierige
       Persönlichkeit. Doch wenn die Faszination eher im Biographischen,
       Psychologischen und Literarischen liegt, kommt das Medium Ausstellung an
       seine Grenzen. Selbst bei gutem Marketing.
       
       ## „Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models“, Hamburger Kunsthalle, Di – So 10
       – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Bis 15. Juni „Mythos Chanel“, Museum für Kunst und
       Gewerbe, Di – So 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Bis 18. Mai
       
       15 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hajo Schiff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Kunsthalle
       
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