# taz.de -- Kolumne Anderes Temperament: Da blickt einfach keiner mehr durch
       
       > "Da ist ja mächtig was los!" Mein Apotheker blickt mir in die Augen und
       > ich blicke nicht mehr durch.
       
 (IMG) Bild: Nichts mehr zu sehen
       
       Neulich hatte die Kollegin M. was am Auge. Ich auch. Die Kollegin war zum
       Augenarzt gegangen und hatte eine sehr lustige Kolumne darüber geschrieben.
       Ermutigt ging auch ich zum Augenarzt und war gespannt, ob es bei mir auch
       so lustig werden würde.
       
       Daraus wurde nichts. Die Sprechstundenhilfe zeigte ins Wartezimmer, wo drei
       Leute saßen: „Sie sehn doch, wie voll es ist. Das wird heute nichts.“ –
       „Ich stehe kurz vor der Erblindung …“ – „Jammern Sie nicht rum. Ich kann
       Ihnen nicht helfen. Auf Wiedersehn.“ Die Sprechstundenhilfe des nächsten
       Augenarztes sagte ungefähr das gleiche. Immerhin bot sie an, dass ich am
       nächsten Morgen um 7.30 Uhr wiederkommen dürfe: „Bringen Sie vier Stunden
       Wartezeit mit.“ Weder wusste ich, wo ich vier Stunden Wartezeit herkriegen
       sollte, noch glaubte ich, dass mein Augenlicht bis zum nächsten Morgen
       durchhalten würde.
       
       Ein Apotheker ist ohnehin der bessere Arzt, dachte ich. Und meinen
       Apotheker würde es sicher freuen, wenn seine Beratung sich mal nicht mit
       der Empfehlung von Aspirin Komplex erschöpft hätte, sondern sein
       fachpharmakologisches Wissen von der Galenik zur Biochemie herausgefordert
       wäre.
       
       Beim Apotheker kam ich sofort dran. „Ich hab was im Auge“, sagte ich. „Darf
       ich Ihnen in die Augen schauen?“, fragte er. „Xyroplastokramphrokose mit
       einer leichten Enzalyniophokoskopiefraxur“, lautete die Diagnose von
       Kollegin M.s Arzt. „Oh, da ist ja mächtig was los“, lautete die Diagnose
       meines Apothekers.
       
       „Klerofurniolopherkylin“ verschrieb M.s Arzt. Mein Apotheker gab mir eine
       Tube: „Das Zeug schmieren Sie sich vier Mal am Tag ins Auge. Aber
       aufgepasst: Sie werden davon blind.“ Er war nun mal Apotheker und nicht
       Ophthalmologe.
       
       Das „Zeug“ verschmierte die Augen dermaßen, dass sich neben extremer
       Unansehnlichkeit auch tatsächliche Blindheit einstellte. Immer unklarer
       wurde, ob das Zeug die anonymen und destruktiven Kräfte im Auge wirklich
       entmachten oder eher zu Übermut anstacheln würde.
       
       Das Auge jedenfalls war Matsch und außerhalb des Auges mächtig was los: die
       einst von den Russen verschenkte Krim wurde von den Russen wieder besetzt
       und der einst von den Flüchtlingen besetzte Oranienplatz wurde von den
       Flüchtlingen wieder geräumt. Um zwei verrostete Panzer am Brandenburger Tor
       wurde gestritten während die Stalin-Zitate am Treptower Ehrenmal weiter
       keinen interessieren, obwohl die auch von Putin stammen könnten und es da
       tatsächlich um die Krim und die Ukraine geht. In diesen Tagen wünschte ich,
       es gäbe einen Apotheker, der das Zeug dazu hat, das man nur vier Mal am Tag
       ins Auge schmieren muss, um auch in politischen Dingen wieder klarer zu
       sehen.
       
       20 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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