# taz.de -- Kolumne American Pie: Weinerlich und erfolgsverwöhnt
       
       > Kanada, die stolzeste Eishockey-Nation der Welt, ist in den NHL-Play-offs
       > nur mit einem einzigen Team vertreten. Und das mag kaum jemand leiden.
       
 (IMG) Bild: Sehen schon so richtig schmierig aus: David Desharnais und Max Pacioretty von den Canadiens.
       
       Der Kanadier hat bekanntlich das Eishockeyspielen erfunden. Und der
       Kanadier beherrscht es immer noch ziemlich gut. Das hat er erst kürzlich
       bei den Olympischen Spielen in Sotschi wieder bewiesen. Dort haben zuerst
       die kanadischen Eishockeyspielerinnen und dann auch noch die kanadischen
       Eishockeyspieler die Goldmedaille gewonnen. Darauf sind die Kanadier, die,
       die Eishockey spielen, und alle anderen auch sehr stolz.
       
       Gar keinen Grund, stolz zu sein, haben die Kanadier, wenn sie sich ansehen,
       was gerade in der National Hockey League (NHL) so passiert. In der besten
       Eishockey-Liga der Welt haben vor gut einer Woche die Play-offs begonnen.
       16 Klubs haben sich qualifiziert und spielen nun im K.-o.-System aus, wer
       denn am Schluss den Stanley Cup in die Höhe stemmen darf.
       
       Der Stanley Cup wird seit 1893 ausgespielt, er hat eine lange, ruhmreiche
       Historie. Und wegen dieser langen, ruhmreichen Historie halten nicht wenige
       Kanadier einen Stanley-Cup-Triumph für sehr viel bedeutender als sogar
       einen Olympiasieg, egal ob er nun von Frauen oder Männern errungen wird.
       Deshalb schmerzt es den Kanadier besonders, dass sich unter den 16
       Playoff-Teams nur ein einziges befindet, das im Mutterland des Sports, also
       in Kanada, beheimatet ist. Allein die Montreal Canadiens halten noch die
       Ahornblatt-Fahne hoch.
       
       Nun gibt es allerdings Kanadier, die auch die Canadiens nicht sonderlich
       gut leiden können. Sogar eine ganze Menge. Denn der Klub aus Montreal ist
       jenseits der Gebiete der französischsprachigen Minderheit nicht sonderlich
       beliebt. Die Habs, wie sie genannt werden nach den sogenannten „les
       habitants“, den ersten Siedlern der Provinz Québec, gelten als arrogant,
       weinerlich, nachtragend und erfolgsverwöhnt. 24-mal haben sie den Stanley
       Cup gewonnen, und auch wenn das letzte Mal nun schon über 20 Jahre
       zurückliegt, tragen die Fans die Nase immer noch ziemlich hoch.
       
       Immerhin sind sie der letzte Klub, der den Stanley Cup nach Kanada
       heimgebracht hat. Und Titelgewinne pflegen sie mit kleineren Bürgerkriegen
       zu feiern. Die Bilanz nach dem letzten Stanley-Cup-Gewinn 1993:
       Plünderungen, Brandstiftung, 168 Verletzte, 47 demolierte Polizeifahrzeuge,
       115 Festnahmen, 2,5 Millionen US-Dollar Schaden.
       
       Die nächste Randale könnte drohen. Die Canadiens überzeugen in den
       Play-offs, mit 3:0 Siegen führen sie in der Best-of-7-Serie gegen Tampa Bay
       Lightning, in der Nacht zum Mittwoch könnte sie bereits in die zweite Runde
       einziehen. Trotzdem suchen sich viele Kanadier momentan lieber einen
       Lieblingsklub von der anderen Seite der Grenze aus. Ihr Glück: Sie können
       sich ziemlich sicher sein, dass auch dort der eine oder andere Kanadier
       mitspielt.
       
       Ein Glück, das der deutsche Fan nicht hat. Von den deutschen Profis haben
       sich nur Marcel Goc mit den Pittsburgh Penguins Dennis Seidenberg mit den
       Boston Bruins für die Playoffs qualifizieren können. Beide sind allerdings
       aktuell verletzt. Seidenberg hat es besonders schlimm erwischt: Der
       32-jährige Nationalverteidiger hat sich schon im Dezember das Kreuzband und
       Innenband im rechten Knie gerissen und wird frühestens in der neuen Saison
       wieder einsetzbar sein. Goc immerhin könnte noch eingreifen in den
       Titelkampf: Die Penguins halten – wie in der NHL üblich – zwar geheim,
       welche Verletzung den 30-Jährigen plagt, aber Goc selbst hofft, „dass es
       bald wieder bei mir weitergeht“.
       
       Im Moment sieht es auch gut aus: Am Montag gewann Pittsburgh auch ohne Goc
       gegen die Columbus Blue Jackets mit 4:3 und führt nun mit 2:1 Siegen.
       Sollten sich die Penguins wie erwartet durchsetzen, dürfte Goc also zum
       Einsatz kommen. Er wäre der einzige Deutsche, der in diesem Jahr um den
       altehrwürdigen Stanley Cup spielen darf. Aber die Deutschen haben das
       Eishockey bekanntlich ja auch nicht erfunden.
       
       22 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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