# taz.de -- Justiz: Roger Kusch angeklagt
       
       > Die Hamburger Staatsanwaltschaft wirft Roger Kusch und einem Arzt
       > Totschlag vor. Die beiden hätten zwei Frauen suggeriert, der Suizid sei
       > alternativlos.
       
 (IMG) Bild: Dass Roger Kusch beim Thema Suizidhilfe nur Menschenfreundlichkeit umtreibt, glauben die wenigsten.
       
       Die Hamburgische Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den ehemaligen
       Justizsenator Roger Kusch wegen Totschlags erhoben. Gemeinsam mit einem
       Nervenarzt soll er im November 2012 die 81-jährige Frau M. und die
       85-jährige Frau W. in, so heißt es, „mittelbarer Täterschaft“ getötet
       haben.
       
       Die beiden Frauen waren im Juni 2012 dem von Kusch gegründeten Verein
       „Sterbehilfe Deutschland“ beigetreten. Laut Anklage erfüllten sie jedoch
       nicht die vom Verein geforderten Kriterien für die Unterstützung zur
       Selbsttötung: Die Frauen hätten weder eine hoffnungslose Prognose, noch
       hätten sie unter unerträgliche Beschwerden oder unzumutbarer Behinderung
       gelitten. Vielmehr habe Dr. S., der regelmäßig für den Verein als Gutachter
       tätig war, sie als „geistig und körperlich rege“ beschrieben sowie „sozial
       gut eingebunden“. Ihr Wunsch zu sterben habe allein auf der Angst vor dem
       Altern beruht.
       
       Roger Kusch als Vereinsvorsitzendem und Dr. S. sei es jedoch darum
       gegangen, einen juristischen Präzedenzfall für „Sterbehilfe“ zu erzwingen.
       S. habe die Frauen weder über Alternativen noch über Beratungsmöglichkeiten
       aufgeklärt. M. und W. hätten seiner ärztlichen Kompetenz vertraut und daher
       angenommen, sie hätten keine Alternative zum Selbstmord. Daher, so sieht es
       die Staatsanwaltschaft, hätten die beiden Frauen nicht frei über ihren Tod
       entschieden.
       
       Kusch sei über das gesamte Geschehen von Dr. S. informiert worden. Er habe
       über den Verein die für die Tötung empfohlene Überdosis eines
       Malariamedikaments beschafft. Dr. S. habe sich am 10. 11. 2012 mit Frau M.
       und Frau W. in ihrer Wohnung getroffen und die Vorbereitung der Tötung
       besprochen. Frau M. habe sich, so die Anklageschrift, „schmerzlich
       betroffen gezeigt“, geweint und gemeinsam mit Frau W. „mit der Entscheidung
       gehadert“. Dennoch habe Dr. S. lediglich gefragt, ob sie sich sicher seien.
       Die beiden Frauen erklärten sich daraufhin zu Selbsttötung bereit und
       nahmen die entsprechenden Medikamente ein. Am frühen Nachmittag stellte Dr.
       S. Bewusstlosigkeit bei ihnen fest, wenig später verstarben die beiden
       Frauen.
       
       Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch,
       erklärte, der Fall zeige, dass „dringend ein eigener Straftatbestand für
       das Verbot der organisierten Suizidbeihilfe“ geschaffen werden müsse.
       Bislang ist diese straffrei. Außerdem kritisierte Brysch, dass die
       Gesundheitspolitik noch immer kein Konzept gefunden habe, Pflege so zu
       organisieren, dass Menschen nicht in existenzieller Angst davor lebten. Ob
       Kusch und Dr. S. beim Tod der beiden Frauen „tatsächlich die Tatherrschaft
       hatten“, werde im Prozess zu beweisen sein.
       
       Eben dies könnte sich als schwierig erweisen. In der Anklageschrift heißt
       es, dass die „Angeschuldigten nicht Hilfe zum Sterben leisteten, sondern
       selbst die Tatherrschaft über die Selbsttötung hatten“. In diesem Fall
       drohen ihnen bis zu fünf Jahren Haft. Da die Frauen die Medikamente selbst
       einnahmen, könnte es für die Staatsanwaltschaft jedoch schwierig werden,
       Kusch und Dr. S. eine solche Tatherrschaft nachzuweisen.
       
       Vorher muss aber ohnehin das Hamburger Landgericht die Hauptverhandlung
       zulassen. Der Verein Sterbehilfe Deutschland war am Montag telefonisch
       nicht zu erreichen, will aber heute eine Pressekonferenz geben.
       
       12 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Gräff
       
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