# taz.de -- Jahrestag Gezi-Proteste: 120 Menschen festgenommen
       
       > Die Polizei griff bei Demonstrationen hart durch. Der türkische
       > Ministerpräsident Erdogan warnte bereits zuvor, am Jahrestag der
       > Gezi-Proteste zu demonstrieren.
       
 (IMG) Bild: Polizisten in Zivil führen eine Deomstrantin in Istanbul ab.
       
       ISTANBUL dpa/ap | Bei den Demonstrationen zum Jahrestag des Beginns der
       landesweiten Gezi-Proteste sind etwa 120 Menschen festgenommen worden. Das
       sagte Istanbuls Polizeichef Selami Altinok nach Angaben der türkischen
       Nachrichtenagentur Anadolu am späten Samstagabend. Der Polizeichef erklärte
       vor Journalisten auf dem Taksim-Platz, dass vier Polizisten verletzt worden
       seien.
       
       Die Sicherheitskräfte waren gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. In
       Istanbul setzten Sicherheitskräfte am Samstagabend auf der zum Taksim-Platz
       führenden Einkaufsmeile Istiklal Caddesi Wasserwerfer und Tränengas ein.
       
       Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor vor einer Teilnahme an
       Demonstrationen gewarnt. Er drohte mit einem strikten Vorgehen der
       Sicherheitskräfte, die „präzise Anordnungen“ hätten. Massendemonstrationen
       blieben in Istanbul aus.
       
       Auf Fernsehbildern war zu sehen, dass Sicherheitskräfte auch in der
       Hauptstadt Ankara Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten
       einsetzten. Aus anderen Städten wurden ebenfalls kleinere Zusammenstöße
       gemeldet. In Istanbul war der Protest bis zur gewaltsamen Auflösung
       friedlich. Dort hatten Regierungsgegner für Samstagabend zur Demonstration
       auf dem Taksim-Platz aufgerufen. Die Polizei hatte den symbolträchtigen
       Platz und den angrenzenden Gezi-Park allerdings bereits am Nachmittag
       abgeriegelt.
       
       Medienberichten zufolge sollten bis zu 25.000 Polizisten und 50
       Wasserwerfer verhindern, dass Demonstranten auf den Taksim-Platz
       vordringen. Einigen hundert von ihnen gelang es, sich auf der Istiklal
       Caddesi zu versammeln. Sie forderten in Sprechchören den Rücktritt der
       Regierung.
       
       ## CNN-Korrespondent festgenommen
       
       Der Korrespondent des US-Senders CNN, Ivan Watson, wurde nach eigenen
       Angaben während einer Live-Schalte vom Taksim-Platz von der Polizei
       festgesetzt. Ein Polizist habe ihn dabei getreten, [1][berichtete Watson
       über Twitter]. Er und sein Team seien nach einer halben Stunde wieder
       freigelassen worden. Auf CNN-Fernsehbildern war zu sehen, wie Polizisten in
       Zivil die Live-Schalte behinderten. Einer der Polizisten stellte sich mit
       dem Rücken vor die Kamera.
       
       Bosporus-Fähren brachten seit dem Nachmittag keine Passagiere mehr vom
       asiatischen zum europäischen Teil Istanbuls, wo der Taksim-Platz liegt. Die
       U-Bahn-Station am Taksim-Platz wurde geschlossen. Bis in die Nacht hinein
       lieferten sich kleinere Gruppen von Demonstranten Scharmützel mit der
       Polizei.
       
       Der 20-jährige Demonstrant Öguz Demir sagte mit Blick auf die Toten der
       Gezi-Proteste 2013 und das Grubenunglück von Soma am 13. Mai: „Wir wollen
       an die Toten von Gezi und Soma erinnern, aber man lässt uns nicht auf den
       Taksim. Was ist das für ein Staat?“
       
       Die 29-jährige Lehrerin Nesrin Özgür kritisierte: „Erdogan hat das Land
       gespalten. Jeder, der seine Menschenrechte einfordert, wird festgenommen.“
       Die 28-jährige deutsche Touristin Jil Dicks aus Hamburg, die zufällig in
       die Proteste geriet, sagte: „Ich verstehe nicht, wieso man so hart gegen
       die Menschen vorgeht.“
       
       ## Erdogan warnte vorab
       
       In der Umgebung des Taksim-Platzes wurden neben Wasserwerfern auch
       Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge in Stellung gebracht. Zuletzt hatten
       gewaltbereite Demonstranten Sicherheitskräfte bei Protesten in Istanbul
       auch mit Molotow-Cocktails angegriffen, woraufhin die Polizei in mindestens
       einem Fall mit scharfer Munition schoss. Am Rande von Ausschreitungen waren
       vergangene Woche zwei Menschen ums Leben gekommen.
       
       Erdogan hatte den Aufruf zu Demonstrationen bereits am Freitagabend
       verurteilt. Ein Jahr nach den Gezi-Protesten wollten die Demonstranten der
       Türkei „neue Tote, neue Schmerzen“ zufügen, sagte er nach Angaben der
       Nachrichtenagentur Anadolu. „Ihr müsst die Gesetze beachten", sagte
       Erdogan. „Wenn Ihr das nicht tut, wird der Staat das tun, was er für nötig
       hält."
       
       Die Proteste im vergangenen Sommer hatten sich an Plänen der Regierung
       entzündet, den Gezi-Park am Rande des Taksim-Platzes zu bebauen. Am 31. Mai
       vor einem Jahr schlugen sie in landesweite Proteste um, die sich vor allem
       gegen den autoritären Regierungsstil von Erdogan und die eskalierende
       Polizeigewalt richteten.
       
       Die Proteste kosteten mindestens sieben Menschen das Leben. Die
       Massendemonstrationen ebbten im Spätsommer ab. Immer wieder flammen aber
       seitdem Proteste auf, die die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas
       zerschlägt.
       
       1 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://twitter.com/IvanCNN/status/472834901570359296
       
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