# taz.de -- Die Wahrheit: Kaderschmiede, olé!
       
       > Coaching tut Not: Wie Béla Réthy, Oliver Kahn und Co. auf die mediale
       > Begleitung der Fußball-WM abgerichtet werden.
       
 (IMG) Bild: Fast ins Gras gebissen, wenn da nicht der Ball wäre: Oliver Kahn nach seinem Coaching.
       
       Keiner will mehr aus dem Kader fliegen: Gemeinsam bereiten sich die
       Moderatoren und Kommentatoren von ARD und ZDF auf den Einsatz bei der WM in
       Brasilien vor. Am Wochenende war unser Reporter live dabei im
       Trainingslager. 
       
       „Ja, es gibt sie, die Proteste gegen die Fifa und die WM, und wir wollen
       auch darüber berichten. Derzeit befinden sich wieder Zehntausende
       Brasilianer auf dem Tahrirplatz, sie demonstrieren für … “ – „Cut! Tahrir?
       Das sind doch die Ägypter, Mensch!“, brüllt Gerhard Delling dem jungen
       Kollegen Matthias Opdenhövel in die Moderation. „Kein Problem, dafür sind
       wir ja hier“, schlichtet Reinhold Beckmann, „außerdem sind es die Türken,
       Anfänger!“
       
       Wir befinden uns auf einem alten Bauernhof irgendwo im Nichts von
       Brandenburg. Hier finden die Moderationsteams der öffentlich-rechtlichen
       Sender vor dem Fußballfest in Brasilien ideale Trainingsbedingungen vor.
       „Der Gebührenzahler erwartet während einer WM rund um die Uhr
       hochprofessionelle Berichterstattung – und diesmal soll es endlich
       klappen“, erklärt ZDF-Frau Katrin Müller-Hohenstein und führt uns herum.
       
       Vor einer grünen Wand steht die brasilianische Sängerin und ehemalige
       DSDS-Jurorin Fernanda Brandao mit HR-Sportchef Ralf Scholt. Die beiden
       sollen in ein paar Wochen gemeinsam den „WM-Club“ der ARD moderieren.
       Reglos starren sie sich minutenlang in die Augen, Scholt hat eine
       schweißnasse Stirn. „Kollege Scholt übt, seiner jungen Mitmoderatorin nicht
       ins Dekolleté zu blicken“, schmunzelt Müller-Hohenstein und schaut auf die
       Stoppuhr. Nach knapp sieben Minuten bricht Scholt zusammen, simuliert eine
       Nackenstarre und wird rausgetragen.
       
       Die Tür zum nächsten Raum ist mit „Videoanalyse – Ruhe bitte“ beschriftet,
       leise treten wir ein. Im Halbdunkel sitzen vor einem winzigen Bildschirm
       der ZDF-Experte Oliver Kahn und Moderator Rudi Cerne. Sie schauen eine
       Livepressekonferenz von Jogi Löw, der Ton kommt mit beinahe unerträglicher
       Lautstärke aus gewaltigen Boxen. Kahn und Cerne starren konzentriert auf
       den Boden und machen Notizen. Aus der Tonanlage donnert es
       „Högschdgschwindichkeyt!“, „Merzähdes!“ und „Drey Achtle Moscht – ich war
       sturzbetrunke!“.
       
       Was das soll, wollen wir wissen. „Die beiden bereiten sich auf die
       Interviews mit Löw vor“, erläutert Müller-Hohenstein, man könne den
       Nationaltrainer mit seinem ekelhaften Dialekt im direkten Gespräch
       unmöglich verstehen, der Zuschauer im Fernsehen bekomme davon nichts mit,
       da alle Löw-Interviews von einem Schwarzwälder Dolmetscher live und
       lippensynchron übersetzt würden. Als Rudi Cerne aus den Ohren zu bluten
       beginnt und Olli Kahn daraufhin in echter Kahn-Manier den kleinen Fernseher
       umtritt, ziehen wir uns zurück.
       
       In der ehemaligen Scheune des Hofs haben sich um einen gläsernen
       Konferenztisch die Livekommentatoren der beiden GEZ-Kanäle versammelt:
       Wolf-Dieter Poschmann, Béla Réthy, Tom Bartels, Gerd Gottlob, Steffen
       Simon, Oliver Schmidt und Thomas Wark sitzen da in Jackett und Unterhose,
       mit ihren Headsets auf dem Kopf. Es riecht nach Deodorant und belegter
       Zunge.
       
       Poschmann schlägt vor, zum Aufwärmen eine Assoziationskette zu bilden.
       „Fußball!“, legt er vor, „Leistungssport!“, kommt es sofort aus Gottlob
       geschossen, „Sportschau!“, kontert Réthy, und der Rest steigt ein:
       „Beckmann!“ – „Amateur!“ – „Beckmann!“ – „Hochstapler!“ – „Beckmann!“
       –„Niete!“ – „Klinsmann!“ – „Löw!“ – „Lahm!“ – „Podolski!“ – „Dummkopf!“ –
       „Beckmann!“ Schnell beginnen die sieben Männer wild
       durcheinanderzuschreien. Müller-Hohenstein führt uns ins Freie: „Wie Sie
       sehen, befinden sich unsere Kommentatoren schon nahe ihrer Höchstform.“
       
       Um den Livekommentar muss man sich also keine Sorgen machen, wohl aber um
       Sven Voss vom ZDF. Der schmächtige junge Reporter soll in Brasilien aus den
       Stadien berichten und probt gerade ein Interview mit einem
       Franz-Beckenbauer-Pappaufsteller, während ihn die ARD-Experten Mehmet
       Scholl und Giovane Elber aus kurzer Distanz mit dem offiziellen WM-Ball
       beschießen.
       
       Müller-Hohenstein weiht uns ein: „Hier simulieren wir die widrigen
       Bedingungen, mit denen ein Rasenreporter vor dem Anstoß während des
       Aufwärmtrainings der Spieler zu kämpfen hat.“ Die Exprofis Scholl und Elber
       sind mit Spaß bei der Sache und treffen jeden Schuss. Voss braucht nach
       kurzer Zeit eine Behandlungspause, kriegt eines seiner inzwischen
       grünblauen Augen schon gar nicht mehr auf, sein WM-Einsatz scheint
       fraglich.
       
       „Mit dem Zweiten sieht man besser“, scherzt Katrin Müller-Hohenstein
       unwiderstehlich und führt uns zum Ausgang. Dort probt immer noch Opdenhövel
       mit Delling und Beckmann: „Also noch mal: … befinden sich wieder
       Zehntausende Brasilianer auf dem Maidan, sie demonstrieren für …“ – „Ruf
       den Netzer an“, resigniert Delling kopfschüttelnd, Reinhold Beckmann zückt
       sein Handy.
       
       1 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Moritz Hürtgen
       
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