# taz.de -- Amnesty zu Brasilien vor der WM: „Strategie der Angst“
       
       > Gegen die Gewaltexzesse der Militärpolizei: Amnesty International fordert
       > Brasiliens Regierung auf, das Recht auf Protest zu achten.
       
 (IMG) Bild: Mit Tränengas, Gummigeschossen und Schlagstock: Brasiliens Polizei geht hart gegen Demonstranten vor.
       
       BERLIN taz | Eine Woche vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in
       Brasilien hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) die
       brasilianische Regierung aufgefordert, das Demonstrationsrecht zu achten.
       Brasiliens AI-Direktor Atila Roque übergab am Donnerstag im Rahmen der
       Kampagne „Gelbe Karte für Brasilien“ 87.000 Unterschriften an die
       Brasilianische Regierung.
       
       In einem [1][am Donnerstag veröffentlichten Bericht] dazu heißt es: „Für
       Anmnesty International bedeutet die WM einen wichtigen Test, ob Polizei und
       andere Behörden in Brasilien ihre Verpflichtung verstehen und ernstnehmen,
       das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zu
       respektieren.“
       
       Darin dokumentiert die Organisation auch, woher ihre Zweifel rühren: Seit
       den großen Massenprotesten im Juni 2013 sind in unzähligen Städten
       Brasiliens Tausende auf die Straßen gegangen – für mehr
       Bildungsinvestitionen, besseren öffentlichen Nahverkehr. Aber allein in São
       Paulo und Rio de Janeiro wurden hunderte von Demonstranten durch Einsätze
       der Sicherheitsbehörden teilweise schwer verletzt: Ein Fotograf verlor
       durch ein Gummigeschoss ein Auge, Tränengas wurde in die Wartesäle von
       Krankenhäusern geworfen.
       
       Festgenommenen, beklagt Amnesty, sei oft über viele Stunden jeglicher
       Kontakt zu Anwälten oder Angehörigen untersagt worden. Polizeiliche
       Übergriffe würden nur in sehr seltenen Fällen verfolgt – sei es, weil die
       Opfer nicht in der Lage waren, die Polizisten zu identifihzieren, sei es,
       weil offenbar von Polizei- und Justizseite an einer disziplinarischen oder
       strafrechtlichen Verfolgung gar kein Interesse besteht.
       
       ## Vager Terrorbegriff in neuem Gesetzentwurf
       
       In vielen Gesprächen auch mit Demonstrationsteilnehmern hat Amnesty den
       Eindruck gewonnen, dass die brasilianischen Behörden eine Strategie der
       Einschüchterung benutzen, um BürgerInnen von der Teilnahme an Protesten
       abzuhalten. Das scheint funktioniert zu haben: Seit den
       Massendemonstrationen im Juni 2013 beteiligen sich deutlich weniger
       Menschen an Protestaktionen.
       
       Kritisch begutachtet die Organisation auch eine Reihe noch zur Abstimmung
       anstehender Gesetze, die nach Ansicht Amnestys direkte Auswirkungen auf das
       Versammlungsrecht haben könnten. Vor allem das geplante Anti-Terror-Gesetz,
       das einen so vagen Terrorismusbegriff benutzt, dass selbst Ausschreitungen
       bei Protesten bereits als „Terrorismus“ gewertet werden könnten, hält
       Amnesty für verfehlt. Auch die Möglichkeit, Menschen, die an einer
       Demonstration teilnehmen, bei der es zu Ausschreitungen kommt, der Bildung
       einer kriminellen Vereinigung zu beschuldigen, höhlt für die Organisation
       die Versammlungsfreiheit aus.
       
       Unstrittig ist, dass sich seit den Großdemonstrationen vor einem Jahr ein
       für Brasilien neues Phänomen entwickelt hat: Die so genannten Black Blocs,
       die, zumeist vermummt, viele Demonstrationen angeführt haben und sich durch
       eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft auszeichnen. Gegen sie richten sich
       weitere geplante Verschärfungen, die allerdings in Deutschland schon lange
       geltende Praxis sind: Vermummungsverbot und Anmeldepflicht für
       Demonstrationen etwa. Auch darin sieht Amnesty allerdings eher den Versuch,
       Protest zu kriminalisieren als ein wirksames Mittel zur Deeskalation.
       
       Amnesty empfiehlt der Brasilianischen Regierung dringend, Militär- und
       zivile Polizei für Einsätze bei Demonstrationen besser zu schulen.
       Gummigeschosse sollten nur im Notfall eingesetzt werden, und dann
       ausschließlich von Personal, das darin wirklich geschult ist. In jedem Fall
       aber soll die Regierung, schreibt Amnesty, sicherstellen, dass die
       Verantwortlichen für exzessive Gewalteinsätze tatäschlich strafrechtlich
       verfolgt und entsprechend bestraft werden können.
       
       5 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR19/005/2014/en
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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