# taz.de -- Hockey-WM in den Niederlanden: Die Krummstockspezialisten
       
       > Bei der WM in Den Haag kommt eine Randsportart ganz groß raus: Frauen und
       > Männer kämpfen dort derzeit parallel um den Hockey-Thron.
       
 (IMG) Bild: Korrekte Schlägerhaltung im Misserfolgsfalle: Lydia Haase vom deutschen Hockey-Team.
       
       DEN HAAG taz | Durch den Hockey-Park im Süden von Den Haag fegt ein
       heftiger Wind. Die großen, mobilen Zelte auf dem WM-Gelände knarren. Im
       15.000 Zuschauer fassenden Hauptstadion wirbelt eine besonders heftige Böe
       eine schwere Plexiglas-Bande Richtung Kunstrasen – bei einer Veranstaltung,
       um die auch vorab schon vergleichsweise viel Wind gemacht worden war. Tina
       Bachmann etwa, eine der deutschen Olympiasiegerinnen von 2004, sah für die
       erste Junihälfte ein „Hammer-Turnier“ am Horizont aufsteigen. Und
       Frauen-Bundestrainer Jamilon Mülders war sich sicher, Den Haag werde zu
       „einem Meilenstein“ in der Geschichte großer internationaler Hockey-Events
       werden.
       
       In gut einer Woche werden die neuen Weltmeisterinnen und Weltmeister gekürt
       – und gleich danach wird das artifizielle Grün wieder eingepackt und gegen
       ein anderes ausgetauscht. Denn normalerweise spielt in der großen WM-Arena
       mit seinen grünen Sitzschalen der ADO Den Haag – ein Fußballklub. Der
       Tabellenneunte der niederländischen Ehrendivision ist seit dem vergangenen
       Winter auf den Kunstrasen-Geschmack gekommen.
       
       Doch künstliches Geläuf im Hockey und im Fußball, das sind zwei
       grundverschiedene Dinge. Deshalb müssen die Krummstockspezialisten ihre WM
       auch unmittelbar vor jener der Fußballer austragen. Anstatt, wie es zum
       Beispiel bei der WM 2006 in Mönchengladbach der Fall war, danach. Vielen
       Protagonisten wäre das deutlich lieber gewesen. Markus Weise etwa, dem
       Bundestrainer der Männer, der lakonisch sagt: „Wenn du etwas parallel zu
       großen Fußballveranstaltungen machst, musst du halt den entsprechenden
       Preis zahlen.“
       
       Die Organisatoren aus Oranjeland haben sich aber schließlich auch nicht
       lumpen lassen: Stolze 19 Millionen Euro beträgt das Budget für das globalen
       Hockeyturnier in Den Haag – Frauen- und Männerwettbewerbe laufen dabei
       nebeneinander. Zum Vergleich: Bei der WM der Männer vor acht Jahren in
       Mönchengladbach lag der Etat bei rund zwei Millionen Euro. Diesen
       Unterschied spürt man auf dem Areal zwischen der großen und der kleineren,
       5.000 Zuschauer fassenden WM-Arena in jedem Winkel.
       
       ## Wein und Bier in rauen Mengen
       
       So ist in dem weitläufigen Speisepavillon nahezu jeder Platz besetzt. An
       einem ganz normalen Werktag, nachmittags um drei. Aber gerade in Den Haag
       gibt es eben jede Menge Hockeyklubs – und in Holland insgesamt 300.000
       Hockeyspieler. Viermal so viel wie im Nachbarland Deutschland, das
       bevölkerungsmäßig fünf Mal so groß ist. Der Boden in dem Restaurant auf
       Zeit ist komplett mit rustikalem, teurem Holz ausgelegt – und zwanzig Meter
       weiter schließt sich das nächste, nicht minder riesige Zelt an: Hier ist
       die „Kids Corner“.
       
       Dabei sind die Kleinen hier längst nicht unter sich. Neben den Holztischen,
       auf denen Malblöcke und Stifte zur freien Verfügung stehen, ist eine
       gewaltige Leinwand aufgebaut, auf der alle WM-Spiele live übertragen
       werden. Und gleich daneben, vis-à-vis zu den Maltischen, ist für die
       Erwachsenen hinter ausladenden Theken in rauen Mengen Wein und Bier
       deponiert. Die Kinder werden nicht abgegeben, sie sind einfach mit dabei.
       Dieser Hang zum Pragmatismus leitete die WM-Veranstalter auch, als sie den
       Termin für ihr Turnier festzurrten. Im Gegensatz zu Bundestrainer Weise
       fanden sie die Idee, Hockey- und Fußball-WM fließend ineinander übergehen
       zu lassen, geradezu charmant. Und den gewagten Versuch, sich mit der alles
       dominierenden Sportart zu messen, unternahmen sie erst gar nicht. Sondern
       passten – ganz pragmatisch – den eigenen Spielplan dem der Brasilien-WM an.
       
       So tragen die niederländischen Hockeyspieler ihre Partien vom 31. Mai, dem
       Eröffnungstag der WM, bis zum 12. Juni hübsch arbeitnehmerfreundlich abends
       um viertel vor acht aus. Doch ab dem 13. Juni, wenn Oranjes Fußballer in
       Salvador zu ihrem ersten Gruppenspiel gegen Weltmeister Spanien antreten
       (Beginn: 21 Uhr MESZ) ist der angenehme 19.45-Uhr-Termin gestrichen. Dann
       wird spätestens um 18 Uhr angepfiffen – und im Anschluss an die Halbfinals
       der Männer gemeinsam Fußball geguckt – im Schatten der beiden
       Hockeystadien. Ein Flair, das selbst Markus Weise gefällt. „Das ist schon
       alles toll organisiert und super aufgestellt“, sagt der Mann, der als
       Hockey-Coach drei Olympiasiege feierte, und fügt hinzu: „Den Haag setzt
       gerade einen neuen Standard für künftige WM-Ausrichter.“
       
       Die Krux dabei: Kein anderes Land als die Niederlande hat überhaupt die
       Kapazität, um eine Damen- und Herren-WM parallel an einem Ort zu
       organisieren. Seit 1986 tragen beide Geschlechter ihre Weltmeisterschaften
       im selben Jahr aus, und Den Haag ist erst der zweite Austragungsort, der
       eine Doppelveranstaltung anbietet, nach dem 60 Kilometer entfernten
       Utrecht, im Jahr 1998. Damals als Spieler mit von der Partie: Jamilon
       Mülders, seit eineinhalb Jahren Cheftrainer der deutschen Hockey-Frauen.
       „In Utrecht wurde die WM auch in einem alten Fußballstadion ausgetragen,
       das war schon sehr imposant“, erinnert sich der 38-Jährige, ehe er einen
       kurzen Vergleich zur Mönchengladbacher WM zieht: „Die war auch gut, das
       Halbfinale und Finale waren stimmungsvolle Geschichten. Aber es ist eben
       ein Unterschied, ob da ein Stadion ist mit nur einem Wettbewerb – oder ob
       es zwei Stadien sind, mit Frauen und Männern zusammen.“
       
       ## Paradies für Leistungssportler
       
       Ebenso wie die Lebensbedingungen für Hockeyspieler in den beiden Ländern.
       EineExpertin in dieser Frage ist Tina Bachmann. Die 35-jährige
       Verteidigerin der Auswahl des Deutschen Hockey-Bunds (DHB) spielt seit 2008
       für niederländische Vereine und weiß: „Die Klubs in Holland sind einfach
       größer als die in Deutschland. Das sieht man allein schon an der Anzahl von
       Kunstrasenplätzen.“ Sagt’s und führt ihre Nationalmannschaftskollegin Julia
       Müller als Beispiel an: „Die spielt in Utrecht, und ihr Klub hat mehr als
       zehn Hockeyfelder. Wenn in Deutschland Klubs zwei Hockeyfelder haben, ist
       das schon toll. Der einzige, der mehr als zwei hat, ist, glaube ich, der
       Mannheimer HC. Das sind ganz andere Dimensionen.“
       
       Das gilt auch für ihre Arbeit mit dem U18-Team, das sie in Eindhoven
       coacht. Will sie mit ihrer Mannschaft nachmittags um halb fünf mit dem
       Training beginnen, während die Spieler aber eigentlich bis um vier Schule
       hätten, gäbe es die Möglichkeit, dass sie einfach früher Schulschluss
       bekämen. „Es gibt in Holland einfach eine größere Unterstützung für
       Leistungssport. Das macht Dinge sowohl als Spieler als auch als Trainer
       einfacher“, sagt Bachmann. Und: „Man muss nicht permanent bitten und
       betteln und hoffen, dass da jemand ist, der es gut mit einem meint.“
       
       Nicht ganz in den Lobgesang auf die Super-WM im Super-Hockeyland einstimmen
       will Richard Charlesworth. Der Coach der australischen Herren formuliert
       zunächst zwar ein paar warme Worte, nennt die Anlagen in Den Haag
       „fantastisch“. Dann aber kommt der 62-Jährige auf den Alltag und die
       ärgerliche Ungleichbehandlung der Mannschaften zu sprechen. „Wir mussten
       nach unseren Spielen vor der Menge fliehen und uns durch den öffentlichen
       Bereich zu den Bussen zwängen. Die niederländischen Teams müssen das
       nicht“, sagt Charlesworth und grummelt: „Ich weiß nicht, ob dieser Punkt
       besonders gut gelöst ist.“ Es dürfte einer der wenigen Punkte sein, die die
       Krummstockspezialisten in Den Haag derzeit zu bemängeln haben.
       
       8 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Morbach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) WM
 (DIR) Den Haag
 (DIR) Eishockey-WM
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
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