# taz.de -- Homophobe Gemeinde in New York: „Die dämonischen Schwulen“ 
       
       > In der Atlah World Missionary Church in Harlem ist der Hass die Religion.
       > Pastor Manning hetzt gegen Homos, Banker und Weiße.
       
 (IMG) Bild: Obama-Hass an der Anzeigetafel der Atlah World Missionary Church.
       
       NEW YORK taz | „Schwarze Frau“, ruft Pastor James David Manning, „die
       weißen Schwulen wollen dir deinen Mann und deine Söhne wegnehmen“. Seine
       rosa Krawatte glänzt im Licht, als er von der Kanzel den Widerstand gegen
       die „Sodomiten“ organisiert. Er will Läden „boykottieren“. Und er schlägt
       abendliche Patrouillenfahrten vor. Auf den Kirchenbänken sitzen mehrere
       Dutzend Menschen. Viele sehen aus, als käme ihre Kleidung aus
       Secondhandläden. Die meisten sind Frauen. Manche haben bis oben hin mit
       Plastiktüten beladene Gepäcktaschen auf Rollen dabei. Einige Zuhörer
       antworten dem Pastor mit dem rhythmisch in zwei Teile gezogenen „A-men“.
       
       Bürgerversammlung in der Atlah-Kirche am Malcolm X Boulevard in Harlem. In
       den vorausgegangenen Tagen haben Gemeindemitglieder an Straßenkreuzungen
       und vor Supermärkten Hochglanzpostkarten verteilt. Darauf ist die
       Aufforderung von Pastor Manning gedruckt: „Nehmt euch Harlem zurück.“
       
       Er will zwei Gruppen von Menschen aus dem Stadtteil vertreiben: „die
       Schwulen“ sowie die Immobilienspekulanten und Banker. Sein Aufruf enthält
       Steckbrieffotos von jenen – meist schwarzen – Prominenten, die er für den
       „Ausverkauf“ des Stadtteils verantwortlich macht: Kongressabgeordnete,
       Lokalpolitiker und Journalisten.
       
       Harlem befindet sich in einem Transformationsprozess. Die Mieten steigen,
       jede Woche eröffnen neue Luxusrestaurants und Geschäfte, und immer mehr gut
       verdienende Mittelschichtler – darunter mehr Weiße – lassen sich in dem
       Stadtteil nördlich des Central Park nieder. Alte Bewohner mit niedrigem
       Einkommen werden verdrängt. Aber keine Statistik bestätigt, dass diese
       Gentrifizierung mehr Homosexuelle nach Harlem gebracht hat als in andere
       New Yorker Stadtteile. Fest steht hingegen, dass in Harlem besonders viele
       religiöse Gruppen um die Seelen der Menschen wetteifern. Mehr als 400
       Religionshäuser gibt es in dem Stadtteil. Die Mehrheit gehört evangelikalen
       Christengemeinden.
       
       ## Obama, ein „Muslim“ und „des Teufels“
       
       James David Mannings Atlah-Kirche, die sich selbst „World Missionary
       Church“ nennt, hat nur noch rund 100 Mitglieder. Sie ist eine der kleineren
       Gemeinden in Harlem. Was ihm an Gläubigen fehlt, kompensiert der Pastor mit
       aggressiven Sprüchen und der Lage seiner Kirche an der Hauptverkehrsader
       des Stadtteils.
       
       Vor dem massiven Eckgebäude aus rotem Backstein, das einst ein Nachtclub
       war, steht heute ein drei Stockwerke hohes weißes Kreuz und eine
       sechseckige Anzeigetafel. Nachts sind beide beleuchtet. Von der Tafel aus
       hat Pastor Manning jahrelang gegen Barack Obama gewettert. Mit Slogans, die
       an die radikal rechte Tea Party erinnern. Er nannte den US-Präsidenten
       einen „Muslim“, „des Teufels“ und „illegitim“ und machte ihn verantwortlich
       für die „sodomitische Invasion Harlems“.
       
       Außer weißen und schwarzen New Yorkern, beherbergt der Stadtteil Menschen
       aus aller Welt. Darunter Westafrikaner, Europäer und Zuwanderer aus dem
       Rest der USA. Pastor Manning stammt aus North Carolina. Zwischendurch war
       er mehrere Jahre wegen bewaffneter Raubüberfälle im Gefängnis, wo er auch
       zu seinen Überzeugungen und seiner Gemeinde kam.
       
       In Harlem kann er sich seit Jahren ungestört austoben. Die meisten Anwohner
       ignorieren ihn einfach. Niemand will ihm die Aufmerksamkeit verschaffen,
       nach der er sucht. Außerdem legitimiert die in der Verfassung verankerte
       Meinungsfreiheit seine Sprüche.
       
       Doch als in diesem Frühjahr auf der Leuchttafel die neue Botschaft „Jesus
       würde Homosexuelle steinigen“ auftaucht, ist für viele Nachbarn die Grenze
       des Zumutbaren überschritten. Stacy Parker, die der Atlah-Kirche gegenüber
       wohnt, erkennt darin einen „Aufruf zur Gewalt“. Die junge Mutter schaltet
       andere Eltern aus der Gruppe Harlem4Kids ein. „Wenn wir das tolerieren,
       machen wir uns zu Komplizen“, sagt sie.
       
       ## „Guten Tag, ich komme zu meiner Steinigung“
       
       Die Eltern sind nicht die Einzigen, denen die homophobe Nachricht zu weit
       geht. Mitte März klopft eine Frau mit einer Kamera an der Tür der
       Atlah-Kirche. „Guten Tag, ich komme zu meiner Steinigung“, sagt sie. „Ich
       bin Lesbe.“ Der Kirchendiener starrt die Besucherin einen Moment verdutzt
       an. Sagt dann, dass sie die Anzeigetafel nicht richtig verstanden habe, und
       schlägt vor, dass sie am nächsten Tag wiederkommt. Jennifer Louise Lopez’
       Video über ihre verhinderte Steinigung wird ein Klickerfolg im Internet.
       
       Die Rechnung von Pastor Manning geht auf. Die „World Missionary Church“
       wird durch seine Sprüche bekannt. Touristenbusse verlangsamen ihre Fahrt,
       wenn sie an dem Eckgebäude vorbeikommen. In einer Nacht klettern mehrere
       junge Männer über den Eisenzaun vor der Kirche, reißen die
       Steinigungsbotschaft von der Tafel und sprühen stattdessen die Worte: „Gott
       ist schwul“. Der Pastor antwortet auf den „Vandalismus der jungen weißen
       Homosexuellen“ mit neue homophoben Sprüchen auf der Anzeigetafel und mit
       einer Serie von Bürgerversammlungen in seiner Kirche.
       
       Er vergleicht die Sprayer mit den Rassisten, die 1963 eine Kirche in
       Alabama in Brand gesetzt und vier kleine Mädchen getötet haben. Zugleich
       bietet er reumütigen Sprayern seine Vergebung an – falls sie in seine
       Kirche kommen, sich entschuldigen und von ihrer „Sünde“ – der
       Homosexualität – lassen.
       
       Bei der ersten Bürgerversammlung steht der Pastor mehrere Stufen über dem
       Publikum und beschreibt mit großen Gesten eine Welt voller Feinde. Darin
       sind die Bösen weiß und die Opfer schwarz. Und in dem
       Verdrängungswettbewerb, den er beschreibt, zahlen „die Gentrifizierten
       3.900 Dollar Miete, für die 1.200 Dollar vernünftig wären“. Seine Rede ist
       gespickt mit Parallelen zur „Middle Passage“ – der Deportation
       afrikanischer Sklaven in die heutigen USA. Sicherheitshalber streut der
       Pastor Manning ab und zu den Satz ein: „Ich bin kein Rassist.“
       
       ## Homosexualität wegbeten
       
       Viele andere evangelikale Kirchen in Harlem schweigen zu dem homophoben
       Kollegen. Zwar fordern sie keine Steinigung, aber viele tun sich mit
       Homosexualität schwer. Einige versuchen sie wegzubeten, andere schließen
       die „Sünder“ aus.
       
       Unter den rund 3.800 obdachlosen Jugendlichen auf den Straßen von New York
       sind zahlreiche Opfer dieser religiösen Intoleranz. Sozialarbeiter
       schätzen, dass 40 Prozent der obdachlosen Jugendlichen in New York
       lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender (LGBT) sind. Meist sind sie
       von streng gläubigen Eltern verstoßen worden. Manchmal ist ein Lippenstift,
       den ein 14-jähriger Junge aufträgt, der Auslöser dafür, dass ein Kind
       obdachlos wird.
       
       Stacy Parker beschließt gemeinsam mit anderen Eltern, diesen Jugendlichen
       zu helfen. Sie sammeln Spenden für das Ali-Forney-Zentrum, wo obdachlose
       LGBT-Jugendliche ein Dach über dem Kopf, ein Gespräch und Gleichaltrige
       finden können. Das Zentrum ist nach einem jungen Mann benannt, der 1997 in
       Harlem ermordet wurde.
       
       Viele obdachlose Jugendliche im Ali-Forney-Zentrum haben auf der Straße
       Männer getroffen, die nur heimlich homosexuell sind. In ihrem öffentlichen
       Leben hingegen spielen sie Familienväter mit religiösen Überzeugungen. „Das
       sind oft die schlimmsten Bullies“, sagt der Sozialarbeiter Joey Lopez, der
       in der Bronx aufgewachsen ist und heute mit LGBT-Jugendlichen im
       Ali-Forney-Zentrum in Harlem arbeitet. Er hat viele Rüpel erlebt, die
       Homosexuelle mit Worten und Taten drangsalieren. In der Szene werden sie
       „DL“ genannt – für: „Down Low“. Es sind Männer, die ein Doppelleben führen.
       
       ## Tabuisierte LGBT-Gläubige
       
       Bei dem ersten öffentlichen Treffen von Stacy Parker und Harlem4Kids
       diskutieren junge LGBT in einem Kino am Malcolm X Boulevard über das Leben
       auf der Straße. Die Atlah-Kirche ist zu Fuß kaum fünf Minuten entfernt.
       Doch zwischen der Kanzel des Pastors und dem Kino liegen Welten. Die jungen
       Leute – darunter Schwarze, Weiße und Latinos – suchen eigene Wege.
       
       „Es hat mich verrückt gemacht, dass niemand etwas unternahm“, sagt Romaine
       Patterson. Als lesbische Jugendliche sah sie, wie der weiße Baptistenpastor
       Fred Phelps mit seinen Getreuen aus der Westboro Baptist Church quer durch
       die USA bei Soldatenbegräbnissen auftauchte und Tote als „Tunten“
       beschimpfte. Patterson gründete daraufhin „Angel Action“. Wo die Polizei
       die religiösen Fanatiker gewähren ließ, stellten die „Angels“ sich um die
       Trauergemeinde und bildeten mit ihren weißen Flügeln eine schützende Wand
       aus Textil. „Wir haben Hass mit Liebe ersetzt“, sagt Patterson, die heute
       eine Radio-Talkshow in New York hat.
       
       Neben ihr auf dem Podium sitzt Vanessa Brown, Chefpastorin der
       Rivers-at-Rehoboth-Gemeinde. Die 43-Jährige ist in Harlem aufgewachsen und
       hat in ihrer Kindheit in verschiedenen evangelikalen Kirchen gebetet. Über
       ihre eigene Homosexualität hat sie damals noch nicht gesprochen. Heute
       findet sie für ihre Gemeinde, in der vor allem LGBT-Gläubige
       zusammenkommen, keinen Kirchenraum in Harlem. Sie musste einen Raum weiter
       südlich in Manhattan mieten. „Unsere Kirchen“, sagt sie, „müssen noch viele
       Tabus überwinden.“
       
       Auf der anderen Seite des Malcolm X Boulevard genießt der Pastor mit der
       glänzenden rosa Krawatte die plötzliche Aufmerksamkeit. Er steht ein paar
       Stufen über den Teilnehmern, die am Ende der Bürgerversammlung einzeln von
       Saaldienern zu ihm gelassen werden, um Fragen zu stellen. In der Hand hat
       er dickes Buch: „Homosexualität ist eine Sünde und sehr hässlich“.
       Neuerdings steht auf seiner Werbetafel: „Gegen die Neger, die sich ihre
       Nasen verkleinern lassen, um weiß zu wirken, und gegen die dämonischen
       Schwulen.“
       
       21 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Homosexualität
 (DIR) New York
 (DIR) Harlem
 (DIR) Religion
 (DIR) Kirche
 (DIR) Serbien
 (DIR) USA
 (DIR) USA
 (DIR) Homosexualität
 (DIR) Waffen
 (DIR) Homophobie
 (DIR) Emigranten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) LGBT-Konferenz in Belgrad: Angriff auf deutschen Teilnehmer
       
       Lebensgefährliche Verletzungen hat ein LGBT-Aktivist erlitten, als ihn eine
       Gruppe junger Männer verprügelte. Serbiens Innenminister versprach rasche
       Aufklärung.
       
 (DIR) Debatte Religionsfreiheit in den USA: Kruzifix statt Kondome
       
       Im Kampf gegen Obamacare haben Konservative beim obersten Gericht einen
       wichtigen Sieg eingefahren. Trotzdem verlieren sie an Macht.
       
 (DIR) Konservative Homo-Gegner in den USA: Die Rückwärtsgewandten
       
       Sie stemmen sich gegen den Trend im Land: Gegner der Homo-Ehe in den USA
       rufen am Donnerstag zum „Marsch für die Ehe“ auf.
       
 (DIR) Homo-Ehe in Luxemburg: Parlament ist voll dafür
       
       Gleichgeschlechtliche Paare in Luxemburg können bald heiraten und Kinder
       adoptieren. Nur vier von 60 Parlamentariern stimmten dagegen.
       
 (DIR) „Smart Guns“ in Amerika: Diese Pistole rettet Leben
       
       Eine „Smart Gun“ lässt sich nur in der Hand ihres Besitzers abfeuern. In
       den USA könnte sie verkauft werden. Doch der mächtigen Waffenlobby passt
       das nicht.
       
 (DIR) Nachruf auf Fred Phelps: Der Hassprediger aus Topeka
       
       Einer der provozierendsten US-Aktivisten ist tot. „Gott hasst Schwuchteln!“
       war sein Motto. Seinen Schwulenhass nimmt Fred Phelps mit ins Grab.
       
 (DIR) Amy Chuas Lob der Einwanderer-Kultur: Angriff der Powermigranten
       
       Amy Chua und ihr Ehemann versprechen, „die kulturellen Grundlagen des
       Erfolgs“ von Einwanderern zu lüften. Westentaschen-Völkerpsychologie ist
       gefragt.